Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Papst Franziskus will Vaterunser ändern
Die letzte Passage des Gebets sorgt in Kirchenkreisen für Diskussionen
BONN (KNA) - Milliarden von Menschen kennen das Gebet, das nach einhelliger Meinung der Theologen höchstwahrscheinlich von Jesus selbst stammt. Das Vaterunser ist seit fast 2000 Jahren fester Bestandteil des christlichen Gottesdienstes und der persönlichen Gebete vieler Menschen. Nun kommt aus Frankreich der Anstoß zu einer neuen Übersetzung des letzten Satzes im Vaterunser. Papst Franziskus hat sich dafür ausgesprochen. Inzwischen fordern auch deutschsprachige Theologen eine Änderung, andere wie der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer warnen vor einer Abwandlung des uralten Textes.
Die letzte Bitte im Vaterunser lautet in deutschen Übersetzungen seit gut 500 Jahren: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.“Anders als die Bitte um das tägliche Brot war dieser Satz schon früher Gegenstand von Diskussionen. Kann es überhaupt sein, dass Gott als liebender Vater seine Kinder in Versuchung führt? Schon in den ersten Jahrhunderten empfanden Christen das als anstößig. Deshalb hat vermutlich der Autor des Matthäus-Evangeliums den abmildernden Zusatz „sondern erlöse uns von dem Bösen“angefügt, der im Lukas-Evangelium fehlt.
Übersetzungsfehler als Ursache
Im 20. Jahrhundert schlugen bekannte Theologen wie Joachim Gnilka eine verträglichere Übersetzung vor. Sie lautet: „Und lass uns nicht in Versuchung geraten.“Ähnliche Anregungen kamen beispielsweise auch von dem jüdischen Religionsphilosophen Pinchas Lapide. Er argumentierte mit dem Verweis auf die mutmaßliche Formulierung im Aramäischen, also der Sprache, in der Jesus das Gebet gesprochen haben dürfte. Solchen Initiativen haben sich nun die katholischen Bischöfe in Frankreich angeschlossen. Papst Franziskus persönlich hat jetzt in einem italienischen Fernsehinterview Stellung bezogen und sich dem theologischen Anliegen der Neuübersetzung angeschlossen.
Theologen uneins über Deutung
Zur alten Übersetzung erklärte der Papst: „Ein Vater tut so etwas nicht. Wer dich in Versuchung führt, ist der Satan.“Ob er damit auch eine neue Übersetzung im Italienischen, Spanischen und weiteren Sprachen gefordert hat, blieb zunächst unklar. Denn in all diesen Sprachversionen ist es Gott, der gebeten wird, den Menschen nicht in Versuchung zu führen.
Andere Theologen halten Änderungen an der Übersetzung für riskant. Zum einen sehen sie die weltweite Einheitlichkeit der Gebete in katholischen Gottesdiensten gefährdet. Denn die wird unter anderem dadurch gewährleistet, dass sich in allen Ländern die Übersetzungen möglichst wortgetreu an der lateinischen Fassung auszurichten haben.
Zum anderen ist für Verfechter einer konservativen Theologie das zeitgemäße Auslegen Aufgabe der Predigt. Bei der Formulierung von Bibeltexten und Gebeten sollte sich die Interpretation zurückhalten, weil sonst die Ebenen der Übersetzung und der Auslegung in unzulässiger Weise vermischt würden. Da Papst Franziskus in Fragen der Übersetzung generell den Bischofskonferenzen vor Ort mehr Eigenständigkeit eingeräumt hat, ist jedoch zu erwarten, dass die Debatte um dieses Thema nach Frankreich bald auch andere Länder erfassen wird.