Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Erdbebenhilfe in Italien – die Mafia verdient mit
Italiens größte staatliche Baustelle scheint ein Ort mafiöser Unterwanderung, der Korruption und Ausbeutung von Arbeitskräften zu sein. Zu diesem Urteil kommt ein Bericht der staatlichen Antikorruptionsbehörde. Seit Monaten wurde im Fall von Tausenden von Notunterkünften in den mittelitalienischen Erdbebengebieten der Abruzzen und Marken ermittelt.
Obwohl Italiens Regierung und der Staatspräsident nach dem Beben am 24. August 2016 in den Regionen Abruzzen und Marken neue Unterkünfte in nur wenigen Wochen versprochen hatten, sind mmer noch Tausende von Menschen gezwungen, in Hotels und anderen Unterkünften an der adriatischen Küste zu leben. Die meisten der versprochenen Behelfswohnungen sind nie errichtet worden. Geplant war der Bau von sogenannten SAE, wie die Wohnmodule heißen, die der Staat in den betroffenen Gebieten errichten lassen wollte. Dieses Ziel ist bis heute noch nicht einmal zur Hälfte erreicht worden. Politiker in den Erdbebengebieten protestieren seit Monaten gegen diese Situation.
Keine Kontrollen
Der Bericht der Antikorruptionsbehörde legt offen, warum sich die Arbeiten in die Länge ziehen und wie es auf vielen der Baustellen aussieht. Seit Mitte 2017 ermitteln die Staatsanwaltschaften von Perugia und Macerata in verschiedenen Fällen gegen Bauunternehmen, denen es gelang, die eigentlich strengen Anti-MafiaBestimmungen zu unterlaufen. Diesen Bestimmungen zufolge muss ein Unternehmen nachweisen können, dass es keine mafiösen Hintermänner hat. Entsprechende Kontrollen scheinen aber in verschiedenen Ortschaften der Erdbebengebiete nie erfolgt zu sein.
Ermittelnde Staatsanwälte wollen auch aufgedeckt haben, so ist im Bericht der Antikorruptionsbehörde nachzulesen, dass nicht wenige Bauunternehmer illegal in Italien lebende Einwanderer beschäftigen und diese zu Hungerlöhnen für sich arbeiten lassen. In sieben Fällen fanden die Ermittler heraus, dass Bauunternehmen mit Arbeitskräften arbeiten, die ihnen vom Mafiaclan der Casalesi aus der süditalienischen Region Kampanien vermittelt worden waren. Männer die für drei bis sieben Euro pro Stunde arbeiten, sieben Tage in der Woche und jeden Tag bis zu zehn Stunden.
Ermittlungen auf verschiedenen Baustellen in Amatrice und anderswo ergaben, dass nicht wenige der Bauunternehmen für die Wohnmodule Materialien nutzten, die nicht den staatlichen Vorgaben entsprechen. Hunderte bereits installierter Wohnmodule sind nicht wasserdicht und zeigen bereits nach wenigen Monaten Verfallserscheinungen.
Ermittelt wird durch verschiedene Staatsanwaltschaften auch gegen Bauunternehmen, denen vorgeworfen wird, die Arbeiten unnötig in die Länge zu ziehen, um höhere Einnahmen zu erwirtschaften.
Nach ersten Hinweisen aus der Bevölkerung der Erdbebengebiete Anfang 2017 hatte die Antikorruptionsbehörde Inspektoren losgeschickt. Was sie in den Abruzzen und Marken vorfanden, beschrieb einer dieser Inspektoren als „skandalös“. Die Regierung in Rom sicherte zu, den im Bericht der Antikorruptionsbehörde aufgeführten Vorwürfen nachzugehen.