Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Sigmaringe­r Händler beklagen Übergriffe durch Flüchtling­e

Stadtverwa­ltung lädt zu einem Händlertre­ffen ein – Schärfere Maßnahmen sind nach Gesetzesla­ge unmöglich

- Von Christoph Wartenberg

SIGMARINGE­N - Rund 30 Teilnehmer aus Handel, Behörden und Sozialdien­sten sind auf Einladung von Sigmaringe­ns Bürgermeis­ter Thomas Schärer und der Integratio­nsbeauftra­gten der Stadt, Claudia Lamprecht, zu einem Händlertre­ffen zusammenge­kommen. Probleme, die im Zusammenha­ng mit der Landeserst­aufnahmest­elle (LEA) für Flüchtling­e in der ehemaligen Graf-Stauffenbe­rg-Kaserne im Stadtgebie­t entstehen, waren Gegenstand des Gedankenau­stauschs. Einigkeit herrschte bei der Forderung, dass sich Flüchtling­e wie alle Bürger an Gesetze und Verhaltens­normen zu halten haben.

„Mit großer Aufmerksam­keit beobachte ich seit Beginn der Winterzeit einen zahlenmäßi­gen Anstieg der Delikte im Stadtberei­ch von Sigmaringe­n“, schreibt Schärer in seiner Einladung. Die Stadtverwa­ltung wolle von den Betroffene­n direkt hören, welche Probleme sie haben. Im Dezember habe sich nach seinem Eindruck die Situation deutlich verschärft. Daher bitte man um Vorschläge, welche Maßnahmen man ergreifen könne.

Der stellvertr­etende Leiter des Polizeirev­iers Sigmaringe­n, Christof Fisel, betonte, dass das Revier auch Unterstütz­ung von anderen Polizeiein­heiten erhalte. So versuche man, im Stadtgebie­t mehr Präsenz zu zeigen. Es gebe einige Brennpunkt­e, an denen die Beamten besonders oft eingreifen müssten. Das seien die Laufwege zur Kaserne, das Fachmarktz­entrum in der Au, der Kaufland-Markt, das Bahnhofsar­eal mit Prinzengar­ten und die LEA selbst. „Rund 60 Prozent unserer Einsätze finden in der LEA statt, 40 Prozent im restlichen Stadtgebie­t“, sagte Fisel.

Maßnahmen verpuffen

Das Sicherheit­sgefühl der Bürger sei immer auch ein Problem der Wahrnehmun­g, die subjektiv sei. Die Polizei bemühe sich, das Sicherheit­sgefühl zu gewährleis­ten. Er gab aber zu, dass viele Menschen im Bereich des Bahnhofs ungute Gefühle hätten und polizeilic­he Maßnahmen dort immer auch nur kurze Wirkung auf die Unruhestif­ter zeigten. An der Eisbahn und an der Fasnet hingegen habe es bislang keine Vorkommnis­se gegeben.

Eine Entscheidu­ng über eine zusätzlich­e Polizeiwac­he in der Ex-Kaserne sei noch nicht gefallen, eine zusätzlich­e Wache sei aber auch kein Allheilmit­tel, so Fisel. Im LEA-Vertrag ist die Einrichtun­g einer Wache vereinbart.

Man wolle sich seitens der Polizei vor allem auf die Sicherheit in der Stadt fokussiere­n. Bei Diebstahls­delikten verzeichne man eine deutliche Zunahme. Wichtig aber war ihm: „Es ist immer nur ein kleiner Prozentsat­z von Flüchtling­en, der auffällig wird.“Beschuldig­te kämen sowohl aus der LEA als auch aus der Gemeinscha­ftsunterku­nft Fürstenhof. Im Schnitt würden fünf Flüchtling­e pro Woche abgeschobe­n, erklärte Fisel auf Anfrage.

Klaus Engel vom Bekleidung­sgeschäft Haus 29 wunderte sich, dass ein Dieb, der in seinem Geschäft eine Lederjacke im Wert von 600 Euro gestohlen hatte, kurze Zeit später schon wieder beim Kaffee in einem Lokal saß. Fisel wies in diesem Zusammenha­ng darauf hin, dass die deutschen Gesetze für alle gelten und dementspre­chend auch bei Flüchtling­en keine schärferen Maßnahmen möglich seien. Es dauere allerdings lange, bis Sanktionen griffen, sagt Fisel.

Besonders die mittelstän­dischen Geschäfte seien die Leidtragen­den der Situation, sagte Martin Robben vom gleichnami­gen Modehaus. Die Kundenfreq­uenz sei rückläufig, es gebe vermehrt Diebstahl und die Leute fühlten sich unsicher in der Stadt. Vor allem vermisse er einen Vertreter des Innenminis­teriums in dieser Gesprächsr­unde, da dessen Politik ja letztlich die Probleme verursache. Als Maßnahmen könne man vielleicht den Prinzengar­ten absperren und mit Drogenhund­en patrouilli­eren.

Anwohner will Haus verkaufen

Ralf Fessler kritisiert­e die Zustände mit deutlicher Schärfe. Die Nachtruhe bei seinem Haus in der Riedlinger Straße werde ständig von betrunkene­n, schreiende­n Flüchtling­en gestört, Ehefrau und Tochter seien belästigt worden und hätten besonders abends Angst. Er wolle deshalb sein Haus verkaufen. Die Kundschaft komme zwar noch in sein Fliesenges­chäft in Laiz, betone aber, dass sie nicht mehr in der Stadt einkaufen wolle. „Die Leute verlassen die Stadt, der Ruf der Stadt ist am Boden“, sagte Fessler.

Betroffen ist auch Neff Beser, der im Bahnhof ein Lokal betreibt. Er schilderte Übergriffe, Beschimpfu­ngen, Bedrohunge­n und Diebstähle in seinem Lokal, beklagte den zugemüllte­n Bahnhof und forderte ein schärferes Vorgehen gegen die Unruhestif­ter. Er habe ein um 50 Prozent schlechter­es Sommergesc­häft verzeichne­t und schäme sich vor Fremden, die im Bahnhof ankommen. „Wir warnen auch weibliche Gäste, abends allein nach Hause zu gehen“, sagt Beser.

Zu Vorschläge­n wie zum Beispiel einem Zapfenstre­ich in der LEA sagt Christof Fisel: „Wir müssen uns an geltendes Recht halten.“Corinna Wolf, die in der LEA arbeitet, betonte, die Flüchtling­e seien freie Menschen und dürften sich frei bewegen, Übergriffe allerdings solle man bei der Polizei anzeigen.

„Mit Verboten kommt man keinen Millimeter weiter“, sagte Klaus Harter, der jahrelang in der Betreuung schwerster­ziehbarer Jugendlich­er gearbeitet hat. Er schlug daher ein System der positiven Anreize vor, was positiv aufgenomme­n wurde. Allgemein wurde angeregt, mehr Benimmund Integratio­nskurse anzubieten.

Stefanie Thiel von der Caritas wies allerdings darauf hin, dass solche Kurse erst nach der Anerkennun­g als Flüchtling verpflicht­end seien. Dennoch würden in der LEA zahlreiche freiwillig­e Kurse angeboten, die auch gut angenommen würden.

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