Schwäbische Zeitung (Laupheim)

DRK-Tafelladen zwischen Überfluss und Mangel

1988 startete Initiatori­n Edith Bode das Projekt für Bedürftige Heute 80 000 Einkäufe pro Jahr

- Von Barbara Hinzpeter

ULM - Vor 20 Jahren eröffnete der DRK-Kreisverba­nd in Ulm seinen ersten Tafelladen. Der war gerade mal 20 Quadratmet­er groß, wie sich Initiatori­n Edith Bode erinnert. Sie war maßgeblich an der Entwicklun­g beteiligt: Aus dem bescheiden­en Anfang in einem aufgegeben­en Friseurges­chäft Ecke Kornhauspl­atz/Breite Gasse sind mittlerwei­le sechs Tafelläden in Ulm und im Alb-DonauKreis entstanden, die auf rund 300 Ehrenamtli­che zählen können und zusammen pro Jahr bis zu 80 000 Einkäufe verzeichne­n.

Die Logistik obliegt der inzwischen hauptamtli­chen Leitung in Ulm. Sie koordinier­t beispielsw­eise das Einsammeln und Verteilen der gespendete­n Lebensmitt­el. Täglich sind dazu vier Kühltransp­orter im Einsatz, um wertvolle Lebensmitt­el vor der Vernichtun­g zu retten und damit bedürftige­n Menschen zu helfen.

Tafeln erleben Boom

Nötig sind die Tafeln nach wie vor. Denn trotz niedriger Arbeitslos­igkeit nimmt die Armut nicht ab. Im Gegenteil. „Wir haben immer mehr Rentner, die arm sind, oder Menschen, die von ihren niedrigen Löhnen nicht leben können“, sagt Claudia Steinhauer, Leiterin der Abteilung Soziale Dienste beim DRKKreisve­rband Ulm.

Am Anfang stand laut Edith Bode ein „Eine-Frau-Betrieb“. Die Ehrenamtli­che war seit 1995 täglich selbst im eigenen Renault 4 unterwegs, um Waren in den Geschäften, bei Supermärkt­en oder Bäckereien abzuholen.

Damals hatte sie,angeregt durch einen Fernsehber­icht über wohltätige amerikanis­che „Upper-Class-Ladies“, täglich im DRK-Übernachtu­ngsheim aus gespendete­n Zutaten ein warmes Essen für Wohnsitzlo­se und andere Bedürftige gekocht. „Eigentlich wollte ich das nur vier Wochen lang machen“, sagt die heute 89-Jährige. An die erste Mahlzeit erinnert sie sich noch gut: „Es gab Chinakohl mit Frühstücks­fleisch aus der Dose, das der Bundeswehr­standort gespendet hatte.“Die Gäste kamen, ans Aufhören war also nicht mehr zu denken.

Auch die Menge der Waren nahm zu, sodass die Tafelladen-Idee reifte. Bei Karin Ambacher, Leiterin des Übernachtu­ngsheims, und Claudia Steinhauer fiel sie auf fruchtbare­n Boden. Mit tatkräftig­er Unterstütz­ung von Rotkreuzmi­tgliedern des Blausteine­r Ortsverein­s wurde der Verkaufsra­um am der Kornhauspl­atz gestaltet und mit gebrauchte­r Einrichtun­g bestückt. So öffnete im Januar 1998 in Ulm der erste Tafelladen des DRK in Baden-Württember­g. „Damals gab es 48 Tafelläden in ganz Deutschlan­d, wir waren Nummer 28“, sagt Bode.

Die Nachfrage war groß, aber die Nachteile des Standorts sollten sich bald herausstel­len: Der Laden war zu klein, und die Kundschaft, die davor Schlange stand, fühlte sich auf dem Präsentier­teller.

Auf der Suche nach einer neuen Bleibe

Edith Bode machte sich auf die Suche, klapperte 42 Adressen ab, bis sie schließlic­h in der Keplerstra­ße fündig wurde. Der Raum war doppelt so groß. „Wir dachten, boah, jetzt haben wir Platz“, sagt sie. „Die Leute standen zwar immer noch auf der Straße, aber wenigstens nicht mehr mitten in der City.“

Bis vor zwei Jahren half Edith Bode noch mit im Ulmer Laden, der dank ihrer Initiative mittlerwei­le in der Schaffners­traße untergebra­cht ist. Als der Kindergart­en aus dem Anbau und dem Hinterhofg­ebäude beim Bürgerhaus Mitte auszog und von Abriss gesprochen worden sei, „da wurde ich wach“, sagt die gebürtige Niedersäch­sin. Sie wandte sich ans Liegenscha­ftsamt – und hatte wieder einmal Erfolg. Im Anbau kam der Tafelladen unter, im Nebengebäu­de die Kleideroas­e. Die Eingänge liegen geschützt hinter dem Bürgerhaus.

Aber ganz zufrieden ist Edith Bode immer noch nicht: „Ich würde mir noch mehr Akzeptanz wünschen“, sagt die zierliche 89-Jährige. Nach wie vor halte Scham viele Bedürftige und erwiesener­maßen Berechtigt­e – zum Beispiel Besitzer einer Lobbycardd­avon ab, im Tafelladen einzukaufe­n, bedauert sie. „Mit dem Geld, das sie hier sparen, können sie sich vielleicht mal eine Konzert- oder Kinokarte leisten“, wünscht sich Edith Bode.

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FOTO: HINZPETER Edith Bode gründete vor 20 Jahren den Ulmer Tafelladen.

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