Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Sex mit ehemaligem Truppenarzt war erniedrigend
Vor dem Landgericht beschreibt eine Zeugin, wie die Geschädigte ihre Treffen mit dem Angeklagten empfunden hat
ULM - Sexueller Missbrauch am Arbeitsplatz ist derzeit in aller Munde. Unter dem Schlagwort „Me too“werden in sozialen Netzwerken weltweit Prominente aus Film und Fernsehen angeprangert, die sich Frauen gefügig gemacht haben sollen. Vor dem Ulmer Schöffengericht läuft zur Zeit ein Prozess gegen einen 41-jährigen ehemaligen Truppenarzt, dem ähnliches vorgeworfen wird.
Der Mann ist angeklagt, eine ehemalige Patientin und Soldatin zum Geschlechtsverkehr genötigt zu haben. Die Frau soll aufgrund ihrer psychischen Belastung mehr oder minder unfähig gewesen sein, das abzulehnen.
Am ersten Verhandlungstag hatte der angeklagte ehemalige Oberstabsarzt am Ulmer Bundeswehrkrankenhaus das große Wort geführt. Am gleichen Tag hatte auch die Geschädigte ausgesagt – unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Der Ex-Truppenarzt hatte behauptet, er habe 2013 mit der 36-jährigen Frau eine einvernehmliche kurzzeitige Affäre gehabt. Die 36Jährige war als Unteroffizierin in der Pathologie des Bundeswehrkrankenhauses tätig, als sie sich in der Psychiatrie behandelt ließ.
Nachdem sie mit der Therapie nicht einverstanden war, wandte sich sie an den damaligen Truppenarzt. Obwohl dieser kein Psychiater ist, bot er ihr an, sie weiter zu behandeln. Er bat um ihre Telefonnummer und ihre Adresse und brachte ihr, so schilderte eine Zeugin am zweiten Verhandlungstag, die Medikamente in ihre Wohnung.
Die Zeugin war eine Kollegin der Geschädigten im Bundeswehrkrankenhaus. Sie schilderte bei der stundenlangen Befragung Einzelheiten aus dem Leben dieser Soldatin. Diese sei in ihrer Kindheit von der eigenen, zeitweise obdachlosen Mutter an Männer vermittelt wurde, die das Mädchen missbraucht hätten.
Als die Zeugin die Geschädigte kennen lernte, habe diese zeitweise ein auffälliges Verhalten an den Tag gelegt, sodass die Zeugin sich um sie kümmerte. Die Geschädigte habe sehr viel getrunken und keine Beziehung zu Männern gehabt.
Geschädigte sagte nie „Nein“
Beim Sex mit dem Arzt sei es nicht um Liebe gegangen. „Sie sagte mir, Küsse und Zärtlichkeiten gab es nie mit ihm“, berichtete die Zeugin.
Das hatte auch der Mediziner, der Vater von drei kleinen Kindern ist, ebenfalls vor Gericht gesagt. Er habe nur seine sexuellen Fantasien mit ausleben wollen. Doch darauf ging die Frau nicht ein, nachdem der Arzt ihr im Internet Beispiele seiner Neigung gezeigt hatte: Rollen- und Fesselspiele.
Laut der Zeugin empfand die Kollegin den Arzt als lästig und den Sex mit ihm als erniedrigend. „Sie war immer angespannt, wenn er sie besuchte“. Doch die Frau sei aufgrund ihrer schrecklichen Vorgeschichte nicht im Stande gewesen, Nein zu sagen.
Dass er diesen Umstand ausgenutzt hat, könnte dem Arzt möglicherweise zum Verhängnis werden. Nein zu sagen war der Soldatin nach Angaben der Zeugin auch früher nicht gelungen. An einem anderen Bundeswehrstandort sei sie von einem Vorgesetzten schwanger geworden, der auch mit anderen Frauen Affären gehabt habe und mit dem Kind nichts zu tun haben wollte. Die Geschädigte trieb ab.
Immer wieder habe die Geschädigte die Schuld bei sich gesucht und nicht anderen, beschreibt die Zeugin. Sie berichtet, dass sie die Frau aus Mitleid in den drei Jahren bei der Bundeswehr unter ihre Fittiche genommen habe, bis sie selbst keine Kraft mehr aufbringen konnte.
Der Prozess wird fortgesetzt.