Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Haftstrafe für Betreiber des Neonazi-Portals „Altermedia“
Vier Macher der seit zwei Jahren verbotenen Seite wegen Volksverhetzung verurteilt
STUTTGART (dpa) - Über Jahre haben sie im Internet Hass gegen Ausländer, Flüchtlinge und Juden geschürt, Naziparolen verbreitet und den Holocaust geleugnet – am Donnerstag wurden vier Macher der seit zwei Jahren verbotenen NeonaziSeite „Altermedia“unter anderem wegen Volksverhetzung verurteilt. Gegen den Kopf hinter der rechtsextremistischen Plattform, einen 29 Jahre alten arbeitslosen Informatiker aus dem Schwarzwald, wurde wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung eine Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Drei mitangeklagte, ältere Frauen, darunter eine 48 Jahre alte Call-Center-Mitarbeiterin aus Nordrhein-Westfalen, die ein umfassendes Geständnis ablegte, kamen mit Bewährungsstrafen zwischen acht Monaten und zwei Jahren davon.
Die Taten machten ihn „sprachlos“, sagte der Vorsitzende Richter des 5. Strafsenats, Herbert Anderer, bei der Urteilsbegründung. Er stehe dem Ganzen „ratlos“gegenüber. Der Prozess habe nicht klären können, was die Angeklagten umgetrieben habe. „Haben diese Menschen gar nichts gelernt? Haben sie gar nichts verstanden?“
Dass es „Altermedia“nicht mehr gebe, sei die ganze Mühe des Verfahrens auf jeden Fall wert gewesen, sagte Bundesanwältin Alexandra Geilhorn. Bis zur Abschaltung durch Berlin sei es das führende rechtsextremistische Internetportal im deutschsprachigen Raum gewesen. Bisher gebe es keinen so wirkungsvollen Nachfolger. Frühere Betreiber der Plattform waren schon 2011 in Rostock mit mehr als zwei Jahren belegt worden.
Auf andere Kanäle abgewandert
Obwohl die Szene auf andere Kanäle im Internet abgewandert und immer schwerer zu greifen sei, zeige der Protest gegen die Abschaltung der linksextremistischen Internetplattform „linksunten.indymedia.org“2017, dass solche Portale für die Massenwirkung noch unerlässlich seien. „Indymedia“war nach den Krawallen beim G20-Gipfel in Hamburg vom Bundesinnenministerium verboten worden.
Auf „Altermedia“wurde massenhaft nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet, befand das Gericht. Hass gegen in Deutschland lebende Ausländer, Flüchtlinge oder Juden wurde geschürt. 209 000 Beiträge wurden eingestellt. Für gewöhnlich grüßten sich die Nutzer der Plattform mit Naziparolen. 30 Fälle mit besonders heftigen Beschimpfungen, Morddrohungen oder Verleumdungen hatten die Bundesanwälte für den Prozess herausgefiltert.