Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Kühl abserviert
Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) verliert sein Amt an Noch-Parteichef Martin Schulz
BERLIN (dpa) - Sigmar Gabriel hat bis zuletzt gehofft, dass sein Wunsch doch noch in Erfüllung geht. „In solchen international verwirrenden Zeiten seinem Land als Außenminister dienen zu können, ist natürlich ungeheuer spannend und auch eine sehr große Ehre“, sagte er vor wenigen Tagen auf dem Rückflug von Tel Aviv nach Berlin einem „Spiegel“-Reporter. Gut möglich, dass es seine letzte Reise als Außenminister war.
Seit Mittwochabend ist es offiziell, dass Gabriel sein von ihm geschätztes Amt abgeben muss. Er wäre damit der Verlierer der längsten Regierungsbildung in der Geschichte der Bundesrepublik. Einer der beliebtesten Politiker Deutschlands würde damit in die politische Bedeutungslosigkeit abstürzen.
Nach acht Jahren als Bundesminister, davon vier als Vizekanzler und sieben Jahren als SPD-Chef wurde er von seinem Nachfolger Martin Schulz so kühl abserviert, wie es nur geht: „Sigmar Gabriel hat eine sehr gute Arbeit als Außenminister geleistet, aber ich habe mich entschieden, in die Bundesregierung einzutreten und zwar als Außenminister.“
Damit vollendete Schulz ein Zerwürfnis zwischen zwei Politikern, die sich vor nicht allzu langer Zeit noch Freunde nannten. Vor einem Jahr nahm dieses Zerwürfnis seinen Lauf. Im Januar 2017 entschied sich der damalige Parteichef Gabriel zugunsten von Schulz auf den Parteivorsitz und die Kanzlerkandidatur zu verzichten.
Wäre Gabriel damals in den Bundestagswahlkampf gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gezogen, wäre seine politische Karriere bei einer Niederlage zerstört gewesen. Im Außenministerium erschien ihm die politische Überlebenschance offenbar größer. Es heißt, Schulz habe ihm damals sogar versprochen, bei einer GroKo-Neuauflage das Außenministerium behalten zu können. Ob es dieses Versprechen gab, ist unklar. Am Donnerstagabend macht Gabriel jedenfalls Andeutungen und der Parteiführung schwere Vorwürfe: „Was bleibt, ist eigentlich nur das Bedauern darüber, wie respektlos bei uns in der SPD der Umgang miteinander geworden ist und wie wenig ein gegebenes Wort noch zählt“, sagt Gabriel der Funke-Mediengruppe.
Dabei hat Gabriel als Außenminister das erreicht, was ihm als Parteichef nie gelungen ist: Er ist in den Ranglisten der beliebtesten deutschen Politikern ganz oben gelandet. Und er hat sich trotz seiner undiplomatischen Außenpolitik selbst bei den Diplomaten im Auswärtigen Amt allerhöchsten Respekt erarbeitet. Nur das Zusammenspiel mit Schulz im Wahlkampf, das hat nicht funktioniert. Gabriel stahl ihm mit immer neuen Ideen die Show.
Gabriel sagt alles ab
Nach seiner Quasi-Entlassung durch Schulz sagte Gabriel am Donnerstag sofort alle Termine in seiner Funktion als Außenminister ab und zog sich in sein Haus in Goslar zurück. Bei einer Konferenz zum Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) und einem EU-Treffen ist er nächste Woche ebenso wenig dabei wie bei der Münchner Sicherheitskonferenz.
Das neue Machtzentrum bilden die designierte Parteichefin Andrea Nahles und der als Vizekanzler und Finanzminister vorgesehene Olaf Scholz. Sie rieben sich beide an Gabriel – das spielt für das Verständnis der innerparteilichen Machtarithmetik eine wichtige Rolle. Gabriel sind alle Türen verbaut. Ein Weitermachen Gabriels als Außenminister sei in den Verhandlungen kein Thema gewesen, wird beteuert. Denn es sei klar gewesen, dass Schulz seinen Trostpreis, das Außenministerium, bekommen sollte. Der Goslarer wird nach einem Ausscheiden aus seinem Amt zunächst ganz normaler Abgeordneter sein – ohne Führungsfunktion. Einen Nebenjob hat er schon: Einen Lehrauftrag an der Uni Bonn.