Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Gehälter regional sehr unterschiedlich
Neue Studie offenbart regionale Unterschiede beim Verdienst von Männern und Frauen
RAVENSBURG (tbb) - Wie stark sich die Gehälter von Männern und Frauen unterscheiden, hängt sehr stark vom jeweiligen Arbeitsort ab. Das zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung. Erstmals sind die Angaben zur Bezahlung von Männern und Frauen regional aufgeschlüsselt verfügbar. Im bundesweiten Vergleich sind die Gehaltsunterschiede im Bodenseekreis mit am größten, während die Gehälter im Osten Deutschlands viel näher beieinanderliegen.
RAVENSBURG - Die Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen ist ein regional sehr unterschiedlich ausgeprägtes Phänomen. Das zeigt eine aktuell laufende Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Zum ersten Mal sind diese Angaben gebietsweise verfügbar. Nach den bereits ausgewerteten Daten der Bundesagentur für Arbeit, der das Institut angegliedert ist, gibt es auch Landkreise und Städte, in denen Frauen mehr verdienen als Männer. Dabei ist das Gehalt der Frauen in vielen Regionen annähernd gleich, während es sich bei Männern sehr stark unterscheidet.
Im Bodenseekreis verdienen Männer zum Beispiel 33 Prozent mehr als Frauen. In keiner anderen Region in Baden-Württemberg ist der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern so groß. Der Grund dafür liegt in der traditionell männlich orientierten Industrie, die mit ZF unter anderem in Friedrichshafen angesiedelt ist. „Viele Frauen wollen gar nicht in die klassischen Ausbildungsberufe in der Industrie“, sagt IAB-Regionalökonomin Michaela Fuchs und versucht einen der vielschichtigen Gründe für das unterschiedliche Lohnniveau zu benennen. „In klassischen Technikberufen arbeiten nun mal Männer.“Hinzu komme, dass ein starkes Industrieunternehmen Zuliefererbetriebe anziehe, die sich ebenfalls in der Region niederlassen würden – auch das sorge für einen Anstieg des Lohnniveaus.
Es ist das erste Mal, dass die sogenannte Gender Pay Gap regional sichtbar wird. Auf diese Weise wird deutlich, dass der Lohnunterschied zwischen den in Vollzeit beschäftigten Männern und Frauen deutlich voneinander abweichen kann, je nachdem wo in Deutschland die Menschen arbeiten. In Regionen mit hohem Fachkräfteanteil ist das Lohnniveau von Männern demnach deutlich höher, wie eben im Bodenseekreis.
Am größten ist der Unterschied im Landkreis Dingolfing-Landau in Niederbayern: Dort bekam ein Mann im Jahr 2016 mit 4531 Euro im Durchschnitt 38 Prozent mehr als eine Frau mit 2791 Euro. Die BMW-Group betreibt dort ihr größtes Werk mit über 17 000 Mitarbeitern. Im brandenburgischen Cottbus dagegen bekam eine Frau mit 2814 Euro im Durchschnitt 17 Prozent mehr als ein Mann mit 2398 Euro. Im Bundesschnitt erhielten Männer mit 3301 Euro im Jahr 2016 rund 14 Prozent mehr als Frauen mit 2833 Euro.
Andere Bedingungen im Osten
Alle 29 Regionen, in denen Frauen im Schnitt mehr verdienen als Männer, liegen in Ostdeutschland. Und 18 der 25 Regionen, in denen das Gehalt der Männer im Schnitt ein Viertel oder mehr über dem der Frauen liegt, sind in Baden-Württemberg oder Bayern. „Der Arbeitsmarkt in Ostdeutschland ist anders“, sagt Fuchs. So fehle es in vielen Regionen an klassischen Wirtschaftsstandorten und damit auch dem Wettbewerb zwischen den Unternehmen. „Das entwickelt sich zwar, aber es braucht noch Zeit.“Das spiegle sich auch im Gehalt der Angestellten wider. Zu DDR-Zeiten wären Frauen außerdem nicht so häufig zu Hause geblieben wie im Westen. Klassische Männerjobs habe es nur wenige gegeben. Auch spiele der öffentliche Dienst als Arbeitgeber eine viel größere Rolle. Allerdings stellt sie klar, dass sich die Voraussetzungen und Strukturen in Ost- und Westdeutschland immer weiter angleichen würden.
„Man darf nicht das Gefühl haben, es kommt nur auf den Wohnort an“, sagt Michaela Fuchs. Sie und ihre Mitautoren wollen die fertige Studie im Herbst veröffentlichen. Ob sie am Ende auch eine Handlungsempfehlung an die Politik formulieren könne, werde sich zeigen.