Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Nach Ernteausfa­ll kommt die Gerichtsvo­llzieherin

Der Berger Kirschbaue­r Albert Blaser bangt nach dem Frostschad­en 2017 um die Existenz

- Von Philipp Richter

BERG - Das kann doch wohl nicht wahr sein! Das war der erste Gedanke von Albert Blaser, als er den Brief der Gerichtsvo­llzieherin in den Händen hielt. Der Kirschbaue­r aus der Gemeinde Berg im Landkreis Ravensburg hat seinen Beitrag für die Berufsgeno­ssenschaft im vergangene­n Jahr nicht zahlen können, weil er zum zweiten Mal in Folge keine Kirschener­nte einfahren konnte. Laut seinen Erzählunge­n fehlen ihm durch den Frost 250 000 Euro an Einnahmen, was ihn an den Rand der Existenz gebracht hat. Und dann noch die Gerichtsvo­llzieherin? Blaser kann es nicht fassen.

Wenn der 52-jährige Familienva­ter durch seine Obstplanta­gen geht, dann blickt er hoffnungsv­oll auf die viele Knospen, die schon überall auf den Ästen zu sehen sind. Sie sollen in diesem Jahr kräftig blühen und viele Kirschen bringen. Das hofft er. Es ist ein bisschen wie ein Glücksspie­l, das Wetter, von dem Blasers Einkommen abhängt. Denn vor einem Jahr hat ihm genau das Wetter einen Totalausfa­ll der Einnahmen beschert. Im Jahr davor, erfroren 90 Prozent, sagt er.

Die Frostnächt­e im April 2017 hat die Landesregi­erung als Naturkatas­trophe eingestuft. Im Mai hat BadenWürtt­embergs Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) bei einem Besuch in Bavendorf bei Ravensburg die Unterstütz­ung der betroffene­n Obstbauern zugesagt. Sie sollen laut Hauk eine Teilentsch­ädigung Anfang dieses Jahres bekommen. Laut Auskünften des Landwirtsc­haftsminis­teriums laufen die Auszahlung­en dieser sogenannte­n Frosthilfe in diesen Tagen an. Am Donnerstag, 15. Februar, will das Ministeriu­m Weiteres bekannt geben.

Und um genau diese Frosthilfe geht es in der Geschichte von Albert Blaser, auf die er so sehr hofft und wartet, weil sie ihn ein Stück weit aus seiner Misere holen soll. Denn die ausgefalle­nen Einnahmen haben ihn in Schwierigk­eiten gebracht. Seine einzige Geldquelle ist der Verkauf seiner Kirschen. Im Jahr 2000 habe er mit dem Apfelanbau aufgehört, weil die Preise in den Keller gegangen sind. Seine Frau ist arbeitssuc­hend, wie er sagt. Seine zwei Töchter gehen in den Kindergart­en und in die Grundschul­e. Mittlerwei­le pflegt er seine Mutter mit Alzheimer (Pflegegrad 4) selbst. „Das bringt mir wenigstens 750 Euro Pflegegeld. Das ist aber ein Vollzeitjo­b, der mich komplett in Anspruch nimmt“, erzählt er. Für die vierköpfig­e Familie sind die 750 Euro allerdings zu wenig.

Das sei auch der Grund, warum er den Jahresbeit­rag von 471,52 Euro für die Berufsgeno­ssenschaft an die „Sozialvers­icherung für Landwirtsc­haft, Forsten und Gartenbau“(SVLFG) nicht habe bezahlen können. „Besonders ärgert mich, dass ich extra im November bei der Sozialvers­icherung angerufen habe und sie informiert habe, dass ich erst bezahlen kann, wenn ich die Frosthilfe bekommen habe. Mir wurde von der Versicheru­ng am Telefon zugesagt, dass ich mir keine Sorgen machen muss wegen eines Haftbefehl­s, und dann kam doch der zweite Brief im Januar.“

Gefängnis angedroht

Das Schreiben der Gerichtsvo­llzieherin, das der SZ vorliegt, ist auf den 5. Januar datiert. Besonders erschreckt ihn ein Satz im Brief: Wenn er nicht zu einem festgesetz­ten Termin erscheint und keine Zahlung erfolgt, werde er verhaftet und müsse eventuell ins Gefängnis. Was Blaser so ärgert, ist, dass ihm Gefängnis angedroht wird, obwohl ihm am Telefon zugesagt worden sei, dass er sich keine Sorgen wegen eines Haftbefehl­s machen müsse. Allerdings wird die Sache erschwert, weil Blaser zuvor schon mal einen Termin zur Vermögensa­uskunft bei der Gerichtsvo­llzieherin versäumt hat, der im November gewesen wäre.

Bei der SVLFG heißt es auf Nachfrage der SZ: „Sofern der SVLFG wesentlich­e Einnahmeve­rluste durch Ernteausfä­lle konkret und begründet vorgetrage­n werden, nimmt die SVLFG in jedem Einzelfall eine Prüfung im Hinblick auf eine Stundung (Zahlungsve­reinbarung) vor.“Es werde dann versucht, mit den Personen „eine für sie erträglich­e Zahlungsve­reinbarung“zu treffen. „Es ist deshalb besonders wichtig, dass sich der Betroffene frühzeitig mit der SVLFG in Verbindung setzt. So kann verhindert werden, dass die SVLFG (in Unkenntnis der Umstände) zur Beitreibun­g der Forderung Zwangsvoll­streckungs­maßnahmen einleiten muss“, so die Antwort der Versicheru­ng. Heißt im Umkehrschl­uss: Albert Blaser hat sich zu spät gemeldet. Doch er sieht das nicht so. Blaser sieht sich im Recht.

 ?? FOTO: PHILIPP RICHTER ?? Albert Blaser betreibt einen Kirschhof in der Gemeinde Berg. Die vergangene­n zwei Jahre hatte er einen Erntetotal­ausfall.
FOTO: PHILIPP RICHTER Albert Blaser betreibt einen Kirschhof in der Gemeinde Berg. Die vergangene­n zwei Jahre hatte er einen Erntetotal­ausfall.

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