Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Landtag streitet über Unterrichtsausfälle
Kultusministerin sieht Entspannung bei Lehrermangel, Opposition und Verbände nicht
STUTTGART (kab) - Eine leidenschaftliche Debatte haben sich Regierung und Opposition zu Unterrichtsausfällen an Schulen geliefert. SPD-Bildungsexperte Gerhard Kleinböck warf Grün-Schwarz am Mittwoch im Stuttgarter Landtag vor, die „miserable Versorgungssituation“schönzurechnen. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) räumte ein, dass man mit der Versorgung an den Schulen nicht zufrieden sein könne und versprach, sich um Besserung zu bemühen. Zugleich prangerte sie die Versäumnisse der vorherigen Regierung an. Die SPD hatte von 2011 bis 2016 das Kultusministerium inne.
STUTTGART - Die Lehrerversorgung im ländlichen Raum scheint sich ein wenig zu entspannen. Gelöst ist das Problem des Unterrichtsausfalls aber nicht, erklärte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) am Mittwoch im Stuttgarter Landtag. Die Opposition warf der grün-schwarzen Landesregierung Untätigkeit vor. Die wehrte sich und erklärte, künftig genauer erheben zu wollen, wie viele Stunden wirklich ausfallen.
Dass der Unterrichtsausfall im aktuellen Schuljahr programmiert war, hatte Eisenmann schon vor Schuljahresbeginn angekündigt. Zum Schuljahresbeginn konnten mehr als 600 Stellen nicht besetzt werden, besonders betroffen waren die Grundschulen auf dem Land. Die oppositionelle SPD im Landtag hat den Unterrichtsausfall nun im Landtag zum Thema gemacht. Deren Bildungsexperte Gerhard Kleinböck sprach von einer „miserablen Versorgungssituation“, die Grün-Schwarz einfach hinnehme.
Kleinböck verwies auf die Stichprobe, mit der das Kultusministerium den Unterricht erhebt. Dafür werden jährlich im November etwa 15 Prozent der Schulen nach dem ausgefallenen Unterricht befragt. 3,6 Prozent des Pflichtunterrichts fand 2017 in der Kalenderwoche 47 demnach nicht statt – 0,4 Prozentpunkte mehr als in der gleichen Woche des Vorjahres. Kleinböck warf Eisenmann vor, nicht zu wissen, was in den Schulen tatsächlich los sei. „Dass hier keine EDV-gestützten Lösungen gefunden werden können, ist wenig glaubwürdig“, sagte er.
Zu wenige Lehrer ausgebildet
Bei der Schuldfrage für den ausgefallenen Unterricht verwies Eisenmann auf Versäumnisse vor ihrer Zeit – unter anderem auf diejenigen ihres direkten Vorgängers Andreas Stoch von der SPD. „Ganz offensichtlich, wurde bereits vor Jahren versäumt, entsprechend die Ausbildungskapazitäten zu erhöhen.“Deshalb sei der Mangel an Grund- und Sonderschulpädagogen besonders hoch. Sie kündigte zudem eine Erhebung des Unterrichtsausfalls in allen Schulen zusätzlich zur Stichprobe im November an. Laut ihrer Sprecherin sei angedacht, mehrmals im Jahr alle Schulen abzufragen, wenn die technischen Möglichkeiten dafür besser werden.
Klaus Moosmann, Leiter des Staatlichen Schulamts Markdorf, begrüßt das Vorhaben. „Wir brauchen Zahlen, die möglichst aktuell sind“, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“. Nur auf Basis von Daten könnten Änderungen angestoßen werden. Derzeit sei das für viele Schulleiter, gerade solche kleiner Schulen ohne Sekretariat, kaum zu leisten. „Grundvoraussetzung ist, dass die Technik funktioniert“, und genau daran hapere es häufig, wie Moosmann von den Schulleitern in seinem Zuständigkeitsbereich gemeldet bekommt.
Laut Eisenmann zeichnet sich etwas Entspannung ab im kommenden Schuljahr. Für das vorgezogene Einstellungsverfahren für Schulen auf dem Land hätten sich doppelt so viele Grundschul- und Gymnasiallehrer wie im Vorjahr gemeldet. Moosmann, der für alle Schulen außer Gymnasien und Berufsschulen in den Landkreisen Ravensburg und Bodensee zuständig ist, bestätigt den Trend. Als Grund nennt er, dass Schulämter erstmals bereits im Februar und nicht erst im März oder April einige Stellen an den Schulen ausschreiben konnten, die nicht viele Bewerber anlocken. 15 Plätze für Grund- und Förderschulen durfte Moosmann frühzeitig verteilen und ausschreiben, alle sind besetzt. Das ist ein Viertel aller Stellen, die er zum Schuljahr 2018/2019 besetzen muss. „Wenn Leute schon im Februar wissen, dass sie eine Stelle haben, gehen sie nicht nach Bayern oder in die Schweiz“, sagt Moosmann.
Verband will Reserve ausbauen
Doro Moritz, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, forderte einen schnellen Ausbau der Vertretungsreserve, die eigentlich für Krankheitsausfälle gedacht ist. In der Praxis sind die landesweit 1666 Lehrer in dieser Reserve aber bereits schon zum Schuljahresbeginn fest für die Unterrichtsversorgung eingeplant. „Wir haben für viele Fächer in den weiterführenden Schulen genug Bewerberinnen und Bewerber auf dem Arbeitsmarkt“, erklärte Moritz. Eisenmanns Sprecherin sprach von „Realitätsverlust“, denn einen Mangel gebe es in allen Schularten. „Und was bringt ein Überhang an Gymnasiallehrern für Deutsch oder Geschichte, wenn der Unterricht in naturwissenschaftlichen Fächern ausfällt?“, fragt sie.
Der Verband Bildung und Erziehung kann die von Eisenmann angekündigte Entspannung noch nicht sehen. „Der Bedarf ist weiterhin hoch, die Not ebenfalls. Wir sind in einer prekären Phase“, erklärte der Landesvorsitzende Gerhard Brand – vor allem, weil laut Prognosen die Schülerzahlen wieder steigen werden.