Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Eine Stimme der Vernunft verstummt
Donald Trumps Wirtschaftsberater Gary Cohn verlässt das Weiße Haus
WASHINGTON - Die personelle Fluktuation im Weißen Haus stellt alles in den Schatten, was sich unter Bill Clinton, George W. Bush oder Barack Obama dort abspielt hat. Nun hat Gary Cohn, der oberste Wirtschaftsberater von US-Präsident Donald Trump, seinen Hut genommen. Die Weltoffenen unter den Republikanern sahen in ihm so etwas wie einen Garanten für Schadenbegrenzung.
Der ehemalige Investmentbanker aus New York, einst die Nummer zwei bei Goldman Sachs, sollte neben anderen verhindern, dass aus Trumps populistischen Sprüchen praktische Politik wird. Mit Cohn als ranghöchstem Wirtschaftsberater der Regierung glaubten die Konservativen alter Schule, würde sich Trump schon irgendwie kontrollieren lassen. Doch als der US-Präsident scheinbar spontan Strafzölle für Stahl- und Aluminiumimporte ankündigte, war klar, dass Cohn beim bislang heftigsten Machtkampf im Kabinett auf der Verliererseite stand.
Gewonnen haben die Nationalisten, angeführt von Handelsminister Wilbur Ross und Peter Navarro, einem Ökonomen, der seit Langem für Abschottung plädiert. Statt sich von den Hardlinern künftig die Richtung diktieren zu lassen, landete der „Globalist“Cohn, wie manche ihn nennen, einen persönlichen Befreiungsschlag.
Woche für Woche Paukenschläge
Es ist das neueste Kapitel einer Serie, die Woche für Woche mit Paukenschlägen aufwartet. Selbst nüchterne Beobachter fragen sich, ob die Querelen geordnetes Arbeiten überhaupt noch zulassen. Erst musste im Februar Trumps Personalsekretär Rob Porter gehen, weil er seine beiden ExFrauen geschlagen haben soll. Dann verabschiedete sich die Kommunikationsdirektorin Hope Hicks, nachdem sie im Parlament eingeräumt hatte, zur Verteidigung Trumps zu Notlügen gegriffen zu haben. Herbert Raymond McMaster, der Nationale Sicherheitsberater, spielt angeblich mit dem Gedanken, an eine Universität zu wechseln. Ex-General John Kelly wurde nach einem halben Jahr aus dem Heimatschutzressort geholt, um als Stabschef das Chaos in der Regierungszentrale zu ordnen. Er ließ neulich vor applaudierendem Publikum Ansätze von Amtsmüdigkeit erkennen. In den sechs Monaten auf seinem Ministerposten sei er glücklich gewesen, witzelte er, „aber dann habe ich etwas falsch gemacht, und Gott hat mich dafür bestraft“.
Mit Cohns Abgang dröhnt der bislang lauteste Knall. Es ist nicht so, dass der 57-Jährige Trump stets widersprach. Er klang sogar bisweilen wie dessen Echo. Die Welt, schrieb er vor Monaten in einem gemeinsam mit McMaster verfassten Essay, sei keine globale Gemeinschaft, sondern eine „Arena, in der Nationen, nichtstaatliche Akteure und Unternehmen um Vorteile ringen“. Aber dass er sich rieb an einem Vorgesetzten, der keine Hemmschwelle zu kennen scheint, ist schon lange kein Geheimnis mehr.
Keine Chance mehr
Bereits im August, nach heftigen Ausschreitungen in Charlottesville, widersprach Cohn Trump öffentlich. In der Universitätsstadt hatten sich Neonazis mit Gegendemonstranten geprügelt, nachdem sie mit brennenden Fackeln und antisemitischen Parolen über den Campus gezogen waren. Statt sich vom braunen Mob zu distanzieren, stellte Trump beide Seiten auf eine moralische Stufe. Der Präsident hätte deutlichere Worte finden müssen, sagte Cohn der „Financial Times“. Als Amerikaner jüdischen Glaubens werde er den Neonazis nicht den Triumph gönnen, „diesen Juden hier zum Verzicht auf sein Amt zu bringen“. Trump, der auf Kritik eher dünnhäutig reagiert, nahm es ihm übel. Vor seiner Kritik galt Cohn als Favorit für die Nachfolge Janet Yellens an der Spitze der amerikanischen Notenbank – danach hatte er keine Chance mehr.
Falls den Staatschef angesichts des Abgangs Zweifel überkommen, ist davon nichts zu spüren. Während einer Pressekonferenz mit dem schwedischen Regierungschef gab er den Entscheider, der die Fetzen fliegen lässt, bevor er Nägel mit Köpfen macht. „Ich liebe Konflikte. Ich mag es, wenn zwei Leute unterschiedliche Ansichten haben“, sagte Trump.