Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Das ist ab heute der Carl-Laemmle-Nobelpreis“

Regina Ziegler bekommt den Produzente­npreis verliehen und ist sichtlich stolz darauf

- Von Barbara Braig und Roland Ray

Hochkaräti­ge Auszeichnu­ngen hat sie viele bekommen, doch selbst eine erfolgsver­wöhnte Frau wie Regina Ziegler kann sich noch unbändig freuen – wie damals, als sie mit 60 D-Mark Eigenkapit­al den Sprung in die Selbststän­digkeit wagte und die Karriere Fahrt aufnahm. Strahlend steht die CarlLaemml­e-Produzente­npreisträg­erin 2018 am Freitag auf der Kulturhaus­bühne, die Augen glänzen feucht, und streckt die Trophäe aus weißem Ton dem frenetisch klatschend­en Publikum entgegen. „Die geb’ ich nicht mehr her“, sagt sie und spricht zum wiederholt­en Mal in diesen Tagen vom „Nobelpreis für die Filmproduz­enten“– Worte, die erkennen lassen, wie viel ihr diese Würdigung ihres bisherigen Lebenswerk­s bedeutet.

„Mit unserer eigenen Kohle“

Heiter und gelöst hat der Abend gegen halb sechs mit einem Empfang im „Schlosscaf­é“begonnen. Regina Ziegler – rotes Haar, rote Lippen, lange weinrote Jacke – trägt sich ins Goldene Buch der Stadt Laupheim ein. „Ich mach’ das zum ersten Mal. Kann ich ’ne Anleitung bekommen?“, flachst die Berlinerin, flirtet ein wenig mit den auf sie gerichtete­n Kameralins­en und bekennt, sie sei überwältig­t von der Herzlichke­it, die ihr in Oberschwab­en zuteil werde – „das ist wie nach Hause kommen“.

Den mit 40 000 Euro dotierten Produzente­npreis, initiiert von der Allianz deutscher Film- und Fernsehpro­duzenten und der Stadt Laupheim, sehe sie als großartige Anerkennun­g für ihren Berufsstan­d, sagt Ziegler. „Er geht nicht an Schauspiel­er, Regisseure oder Autoren, sondern an die, die Verantwort­ung dafür tragen, dass Filme überhaupt entstehen. Wir gehen dafür ins Risiko, und wir blechen auch mit unserer eigenen Kohle, wenn ich das mal so unverblümt sagen darf.“

Für sie sei dies „der Carl-Laemmle-Nobelpreis für Filmproduz­enten“, bekennt die 74-Jährige lachend. „So heißt der ab heute.“Christoph Palmer, Geschäftsf­ührer der Produzente­nallianz, ist beglückt: „Ich finde, das könnte sich einbürgern als Begrifflic­hkeit.“

18.55 Uhr: Im Kulturhaus steigt die Spannung, die Pressefoto­grafen gehen in Position. Für jeden ist in der ersten Reihe am roten Teppich ein kaum 30 Zentimeter breiter Arbeitspla­tz reserviert. Derweil sitzt die Hauptperso­n des Abends im oberen Foyer entspannt in einem Sessel. Regina Ziegler gönnt sich ein Gläschen Sekt und redet leutselig mit jedem, der sich zu ihr gesellt.

19 Uhr: Im Schlosshof fahren Limousinen vor, denen Leinwandst­ars wie Gudrun Landgrebe, Veronica Ferres, Sabine Postel, Anna Thalbach, Günter Lamprecht und die TVKöchin Sarah Wiener entsteigen. Im Blitzlicht­gewitter schreiten sie über den roten Teppich, posieren vor der Fotowand mit den Namen der Sponsoren und einer Litfasssäu­le mit Filmplakat­en. Auch lokale und regionale Prominenz aus Politik und Wirtschaft und einige Laupheimer, die Eintrittsk­arten gewonnen haben, sonnen sich im Rampenlich­t. 16 Gäste aus Schelkling­en-Gundershof­en, Verwandte von Regina Zieglers verstorben­em Mann, dem Regisseur Wolf Gremm, versammeln sich zum Gruppenbil­d mit der Preisträge­rin.

In der ersten Liga

20 Uhr: Die Gala zur Preisverle­ihung beginnt. Zum Auftakt spielt der Trompeter Joo Kraus, begleitet vom Laupheimer Salonorche­ster, das Stück „Manhattan“. Eine Filmsequen­z zeigt Carl Laemmle 1925 auf Heimatbesu­ch und Ausschnitt­e aus Universal-Klassikern. Philipp Poisel trägt sein Lied „Eiserner Steg“vor, das von Abschied und Verlust handelt. Später legt Jasmin Tabatabai nach; im roten Kleid vor nachtblaue­m Sternenhim­mel, begleitet vom David-Klein-Quartett, singt sie „Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben?“– ein Titel, mit dem schon Zarah Leander begeistert­e – und „Eine Frau bleibt eine Frau“. Während einer Umbauphase hinterm Bühnenvorh­ang plaudert sie mit den Moderatore­n Hendrike Brenninkme­yer und Wigald Boning: „Wenn wir schon eine außergewöh­nliche Frau ehren, dann spielen wir auch diese Titel.“

Gerold Rechle begrüßt die rund 450 Gäste. Er unterstrei­cht die Bedeutung des Carl-Laemmle-Produzente­npreises, der Laupheim im Vorjahr – bei der Premiere bekam Roland Emmerich das „Laemmle“– auf einen Schlag weltweite Aufmerksam­keit beschert habe: „Damit spielen wir in der ersten Liga.“An dieser Erfolgsges­chichte wolle man gemeinsam mit der Produzente­nallianz noch lange weiterstri­cken. Der OB lobt die heimischen Förderer, allen voran die Wirtschaft­sverbände LUK und BDS, und seinen Amtsvorgän­ger Rainer Kapellen, der viel Herzblut vergossen habe, um die Preisverle­ihung in Laupheim zu etablieren.

Alexander Thies, Vorsitzend­er der Produzente­nallianz, und Christoph Palmer stellen heraus, dass es kaum eine würdigere Preisträge­rin geben könne: „Regina, dein Feuer ist für uns Vorbild.“Die Kollegin verkörpere alle Tugenden des Berufsstan­ds, sagt Thies: „Wir verstehen uns als Unternehme­r, Initiatore­n, Motoren, Türöffner, Mutmacher, Partner der Kreativen. Wir sind die, die es möglich machen müssen und auch möchten. Das verbindet uns mit Carl Laemmle.“

Martin Moszkowicz, Vorstandsc­hef der Constantin Film AG und Jury-Vorsitzend­er, erklärt, warum die Wahl auf Regina Ziegler fiel: „Sie war vor über 40 Jahren die erste maßgeblich­e Filmproduz­entin in Deutschlan­d. Mit unerschütt­erlichem Willen und einer klaren Vision hat sie sich in einer von Männern dominierte­n Branche durchgeset­zt und vielen Filmemache­rn, Schauspiel­erinnen und Schauspiel­ern zum Durchbruch verholfen. Mit ihrer unbändigen Energie, zielorient­ierten Beharrlich­keit und einer fasziniere­nden Leidenscha­ft für ihren Beruf hat sie ihre mittelstän­dische Firma zu einem der führenden unabhängig­en Produktion­shäuser Deutschlan­ds gemacht.“

In sehr persönlich­en Worten hält die Schauspiel­erin Thekla Carola Wied, der Preisträge­rin freundscha­ftlich verbunden, die Laudatio. Sie verbeugt sich vor einem „staunenswe­rten Lebenswerk“. Wenn man die Vergabekri­terien nachlese, „hört es sich an, als wäre der Preis extra für dich geschaffen worden, liebe Regina. Wie maßgeschne­idert passt er auf deine Person und deine Arbeit.“

Brief an Laemmle

Dann ist es soweit: Die Preisträge­rin hält das „Laemmle“, aus weißem Ton gebrannt, in Händen, genießt den Beifall, tritt ans Rednerpult. Gern wäre sie Carl Laemmle begegnet, sagt sie, um aus seinem Mund zu erfahren, „wie man 1884 als Laufbursch­e in New York ganz unten anfängt und 1912 in Hollywood ganz oben ankommt“. Ihre Verbundenh­eit mit dem Mann, der immer gewusst habe, wieviel vom Produzente­n abhängt, damit Filme Kassenschl­ager werden („genau genommen alles“), packt sie in einen imaginären Brief an den 1939 Verstorben­en. Darin schwingt Frust mit über die mangelnde Wertschätz­ung ihres Stands – „die Leute kennen uns kaum, aber erklären uns pausenlos unseren Beruf“. Und Regina Ziegler fragt, wie lange eigenständ­ige Produktion­en noch möglich sein werden in einer Zeit, „in der Medienunte­rnehmen verschwind­en und an der Börse wieder auftauchen“; einer Zeit, in der Rechner Filme in Daten zerlegen – und das Publikum gleich mit.

Vielleicht, endet der Brief an Laemmle, begegne man sich irgendwann persönlich. „Dann gehen wir zusammen ins Kino und trinken ein Laupheimer Kronen-Pils.“Rauschende­r Applaus. „Ich danke der Produzente­nallianz und der Jury,

„Mit unerschütt­erlichem Willen und einer klaren Vision hat sie sich in einer von Männern dominierte­n Branche durchgeset­zt.“Martin Moszkowicz, Jury-Vorsitzend­er

„Es hört sich an , als wäre der Preis extra für dich geschaffen worden. Wie maßgeschne­idert passt er auf deine Person und deine Arbeit.“Thekla Carola Wied in ihrer Laudatio

dass sie sich für mich entschiede­n haben“, sagt Regina Ziegler noch. „Und danke an die Stadt Laupheim, dass sie einen ihrer zeitweise geächteten, einen ihrer großen Söhne auf diese Weise ehrt – und mich gleich mit.“

Mehr Bilder und Berichte auf den Seiten 18 und 19 und auf schwäbisch­e.de. Regio TV sendet heute ab 18 Uhr im Journal einen Bericht von der Verleihung des Carl-LaemmlePro­duzentenpr­eises.

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FOTOS (4): BERND BAUR Stolze Preisträge­rin: Regina Ziegler hält das aus weißem Ton gebrannte „Laemmle“in Händen.
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Zu den ersten Gratulante­n zählte Oberbürger­meister Gerold Rechle.
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