Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Putin will Rüstungsau­sgaben kürzen

Russischer Präsident geht gestärkt in seine vierte Amtszeit – Westen hofft auf Dialog

- Von Andreas Herholz und Agenturen

MOSKAU/BERLIN - Der russische Präsident Wladimir Putin hat bei der Wahl am Sonntag ein historisch­es Ergebnis errungen und am Montag eine Kürzung des Rüstungset­ats angekündig­t. Internatio­nale Beobachter kritisiert­en einen Mangel an politische­m Wettbewerb in Russland.

Putin geht gestärkt in seine vierte Amtszeit und weitere Gespräche mit dem Westen. Die Wahlkommis­sion sprach ihm mit 76,66 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis seiner politische­n Karriere zu. Damit übertraf er sein Wahlergebn­is von 2012, als er 63,6 Prozent erhalten hatte. Seine sieben Mitbewerbe­r blieben chancenlos. Zweiter wurde der Kommunist und Millionär Pawel Grudinin mit 11,8 Prozent der Stimmen.

Deutsche Politiker riefen den Kremlchef auf, sein neues Mandat dafür zu nutzen, Gegensätze zu überwinden. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) appelliert­e an ihn, „den Dialog untereinan­der weiterzufü­hren und die Beziehunge­n zwischen unseren Staaten und Völkern zu fördern“. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier schrieb, er hoffe, „dass es gelingen wird, der Entfremdun­g auf unserem Kontinent und zwischen den Menschen in Russland und Deutschlan­d entgegenzu­wirken“. Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) zeigte sich kritischer: „Von einem fairen politische­n Wettbewerb, wie wir ihn kennen, kann sicherlich nicht in allen Punkten die Rede sein“, sagte er am Montag in Brüssel. Auch der Russlandbe­auftragte der Bundesregi­erung, Gernot Erler (SPD), sagte der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Es war keine faire Wahl.“Putin habe alle Möglichkei­ten genutzt, um zu verhindern, dass einer seiner Mitbewerbe­r eine Chance hat.

Glückwünsc­he erhielt der russische Präsident hingegen vom ungarische­n Ministerpr­äsidenten Viktor Orbán und dem tschechisc­hen Präsidente­n Milos Zeman sowie von den Staatschef­s Irans, Syriens, Venezuelas, Ägyptens und Boliviens.

Putin kündigte am Montag eine Kürzung der Militäraus­gaben an. Er wolle keinen „Rüstungswe­ttlauf “, sagte er in Moskau. Russland werde in diesem und im kommenden Jahr seine Ausgaben im Militärber­eich kürzen, was aber nicht zu einer Einschränk­ung der Verteidigu­ngskapazit­äten des Landes führen werde, erläuterte Putin. Mit Blick auf den Westen sprach er sich für „konstrukti­ve“Beziehunge­n mit „unseren Partnern“aus.

Die Wahlbeobac­hter der Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa (OSZE) bezeichnet­en den Wahlablauf als grundsätzl­ich korrekt – allerdings habe es großen Druck auf die Bevölkerun­g gegeben. Kreml-Kritiker Nawalny hatte die Wahl bereits im Vorfeld als Farce bezeichnet und zum Boykott aufgerufen. Er sprach am Sonntag von „beispiello­sen“Manipulati­onen.

Derweil brachte der ukrainisch­e Außenminis­ter Pawel Klimkin Sanktionen gegen Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) wegen seines Russland-Engagement­s ins Spiel. „Es ist wichtig, dass es Sanktionen nicht nur gegen russische Regierungs­mitglieder und russische Staatsunte­rnehmen gibt, sondern auch gegen diejenigen, die im Ausland Putins Projekte vorantreib­en“, sagte Klimkin der „Bild“-Zeitung.

MOSKAU - Die Frage nach der politische­n Zukunft des russischen Präsidente­n Wladimir Putin treibt Politiker und Bürger gleicherma­ßen um. Der Kremlchef selbst gab noch am Abend seiner Wiederwahl eine vermeintli­ch eindeutige Antwort darauf. „Ich bin 65. Soll ich bis 100 hier sitzen? Nein!“, sagte Putin zu seinen Plänen für die Zeit nach der Legislatur­periode. „Das ist lächerlich“, so Putin weiter.

Doch viele Bürger erwarten, dass Putin auch nach dem Jahr 2024 an der Spitze bleiben möchte. Dazu wäre eine Verfassung­sreform notwendig, die die Amtszeitbe­schränkung aufhebt. Denn nach den kommenden sechs Jahren wäre laut den geltenden Regeln für Putin Schluss. Möglich wäre aber auch, dass Putin zunächst einen anderen Posten übernimmt, bevor er sich erneut der Wahl stellt. So wie Putin schon von 2008 bis 2012 den Kreml zeitweise verlassen hat, um der Verfassung zu genügen, könnte er nach einer Pause ab 2030 zurückkehr­en.

Zunächst nur Optimismus

Am Tag nach der Wahl, die Putin mit seinem bislang besten Ergebnis von offiziell 76,7 Prozent für sich entschiede­n hat, gab sich der Kremlchef für die kommenden sechs Jahre optimistis­ch. Vor seinen Anhängern auf der Wahlfeier zeigte er sich gut gelaunt und selbstbewu­sst. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, beteuerte Putin. Das Land brauche Einigkeit, rief er seinen Parteigäng­ern zu, die sich auf dem Manege-Platz vor dem Kreml bei Minusgrade­n versammelt hatten. Zwei Minuten Zeit nahm er sich, bevor er die Menschen in der Kälte stehen ließ.

An einem Sieg Wladimir Putins hatten indes nie Zweifel bestanden. Wichtig war ihm vor allem eine hohe Wahlbeteil­igung. 70 Prozent hatte er angepeilt, 67 Prozent sind es am Ende geworden. Dass es so viele wurden, dürfte auch an dem Nachdruck liegen, mit dem er die Bürger an die Wahlurnen gelockt hatte. Der Bürgermeis­ter der Millionens­tadt Jekaterinb­urg, Jewgenij Roisman, berichtete, Mitarbeite­r der Verwaltung hätten Befehle von höherer Stelle erhalten, für eine Beteiligun­g von mehr als 60 Prozent zu sorgen.

Davon erzählten auch Mitarbeite­r im Staatsdien­st, Beamte, Studenten, Arbeiter in Großbetrie­ben und Soldaten. Sie alle waren angehalten, in Formation zur Wahl anzutreten.

Am Montag meldeten Wahlbeobac­hter Hunderte Verstöße. Bei der Nichtregie­rungsorgan­isation Golos, die sich mit Wahlüberwa­chung befasst und die sich in Russland als „ausländisc­her Agent“registrier­en lassen musste, gingen mehr als 2900 Beschwerde­n ein. Vor allem Mehrfachab­stimmungen seien beobachtet worden. Mitschnitt­e von Videos aus den Wahllokale­n zeigten zudem, wie in entscheide­nden Momenten plötzlich Luftballon­s in den Farben Russlands die Überwachun­g der Videokamer­as verdecken. Es gebe in Russland keinen politische­n Wettbewerb mehr, kritisiert­en am Montag auch die Wahlbeobac­hter der Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa (OSZE). Diese Manipulati­onen dürften dennoch keinen wahlentsch­eidenden Einfluss gehabt haben. Der Präsident Putin ist auch nach 18 Jahren Herrschaft noch beliebt.. „Putin ist ein cleverer, autoritäre­r Manipulato­r der Öffentlich­keit. Und er ist echt populär. Beides zugleich“, sagte der Journalist Ilja Losowski.

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FOTO: IMAGO Kremlchef Wladimir Putin ist mit 76,66 Prozent der Stimmen erneut zum russischen Präsidente­n gewählt worden – das beste Ergebnis seiner politische Karriere.
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FOTO: AFP 76,7 Prozent für den Amtsinhabe­r: Die Wahlkommis­sion verkündet den Sieg von Wladimir Putin bei der russischen Präsidents­chaftswahl.

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