Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Putin will Rüstungsausgaben kürzen
Russischer Präsident geht gestärkt in seine vierte Amtszeit – Westen hofft auf Dialog
MOSKAU/BERLIN - Der russische Präsident Wladimir Putin hat bei der Wahl am Sonntag ein historisches Ergebnis errungen und am Montag eine Kürzung des Rüstungsetats angekündigt. Internationale Beobachter kritisierten einen Mangel an politischem Wettbewerb in Russland.
Putin geht gestärkt in seine vierte Amtszeit und weitere Gespräche mit dem Westen. Die Wahlkommission sprach ihm mit 76,66 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis seiner politischen Karriere zu. Damit übertraf er sein Wahlergebnis von 2012, als er 63,6 Prozent erhalten hatte. Seine sieben Mitbewerber blieben chancenlos. Zweiter wurde der Kommunist und Millionär Pawel Grudinin mit 11,8 Prozent der Stimmen.
Deutsche Politiker riefen den Kremlchef auf, sein neues Mandat dafür zu nutzen, Gegensätze zu überwinden. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) appellierte an ihn, „den Dialog untereinander weiterzuführen und die Beziehungen zwischen unseren Staaten und Völkern zu fördern“. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schrieb, er hoffe, „dass es gelingen wird, der Entfremdung auf unserem Kontinent und zwischen den Menschen in Russland und Deutschland entgegenzuwirken“. Außenminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich kritischer: „Von einem fairen politischen Wettbewerb, wie wir ihn kennen, kann sicherlich nicht in allen Punkten die Rede sein“, sagte er am Montag in Brüssel. Auch der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), sagte der „Schwäbischen Zeitung“: „Es war keine faire Wahl.“Putin habe alle Möglichkeiten genutzt, um zu verhindern, dass einer seiner Mitbewerber eine Chance hat.
Glückwünsche erhielt der russische Präsident hingegen vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und dem tschechischen Präsidenten Milos Zeman sowie von den Staatschefs Irans, Syriens, Venezuelas, Ägyptens und Boliviens.
Putin kündigte am Montag eine Kürzung der Militärausgaben an. Er wolle keinen „Rüstungswettlauf “, sagte er in Moskau. Russland werde in diesem und im kommenden Jahr seine Ausgaben im Militärbereich kürzen, was aber nicht zu einer Einschränkung der Verteidigungskapazitäten des Landes führen werde, erläuterte Putin. Mit Blick auf den Westen sprach er sich für „konstruktive“Beziehungen mit „unseren Partnern“aus.
Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bezeichneten den Wahlablauf als grundsätzlich korrekt – allerdings habe es großen Druck auf die Bevölkerung gegeben. Kreml-Kritiker Nawalny hatte die Wahl bereits im Vorfeld als Farce bezeichnet und zum Boykott aufgerufen. Er sprach am Sonntag von „beispiellosen“Manipulationen.
Derweil brachte der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin Sanktionen gegen Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) wegen seines Russland-Engagements ins Spiel. „Es ist wichtig, dass es Sanktionen nicht nur gegen russische Regierungsmitglieder und russische Staatsunternehmen gibt, sondern auch gegen diejenigen, die im Ausland Putins Projekte vorantreiben“, sagte Klimkin der „Bild“-Zeitung.
MOSKAU - Die Frage nach der politischen Zukunft des russischen Präsidenten Wladimir Putin treibt Politiker und Bürger gleichermaßen um. Der Kremlchef selbst gab noch am Abend seiner Wiederwahl eine vermeintlich eindeutige Antwort darauf. „Ich bin 65. Soll ich bis 100 hier sitzen? Nein!“, sagte Putin zu seinen Plänen für die Zeit nach der Legislaturperiode. „Das ist lächerlich“, so Putin weiter.
Doch viele Bürger erwarten, dass Putin auch nach dem Jahr 2024 an der Spitze bleiben möchte. Dazu wäre eine Verfassungsreform notwendig, die die Amtszeitbeschränkung aufhebt. Denn nach den kommenden sechs Jahren wäre laut den geltenden Regeln für Putin Schluss. Möglich wäre aber auch, dass Putin zunächst einen anderen Posten übernimmt, bevor er sich erneut der Wahl stellt. So wie Putin schon von 2008 bis 2012 den Kreml zeitweise verlassen hat, um der Verfassung zu genügen, könnte er nach einer Pause ab 2030 zurückkehren.
Zunächst nur Optimismus
Am Tag nach der Wahl, die Putin mit seinem bislang besten Ergebnis von offiziell 76,7 Prozent für sich entschieden hat, gab sich der Kremlchef für die kommenden sechs Jahre optimistisch. Vor seinen Anhängern auf der Wahlfeier zeigte er sich gut gelaunt und selbstbewusst. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, beteuerte Putin. Das Land brauche Einigkeit, rief er seinen Parteigängern zu, die sich auf dem Manege-Platz vor dem Kreml bei Minusgraden versammelt hatten. Zwei Minuten Zeit nahm er sich, bevor er die Menschen in der Kälte stehen ließ.
An einem Sieg Wladimir Putins hatten indes nie Zweifel bestanden. Wichtig war ihm vor allem eine hohe Wahlbeteiligung. 70 Prozent hatte er angepeilt, 67 Prozent sind es am Ende geworden. Dass es so viele wurden, dürfte auch an dem Nachdruck liegen, mit dem er die Bürger an die Wahlurnen gelockt hatte. Der Bürgermeister der Millionenstadt Jekaterinburg, Jewgenij Roisman, berichtete, Mitarbeiter der Verwaltung hätten Befehle von höherer Stelle erhalten, für eine Beteiligung von mehr als 60 Prozent zu sorgen.
Davon erzählten auch Mitarbeiter im Staatsdienst, Beamte, Studenten, Arbeiter in Großbetrieben und Soldaten. Sie alle waren angehalten, in Formation zur Wahl anzutreten.
Am Montag meldeten Wahlbeobachter Hunderte Verstöße. Bei der Nichtregierungsorganisation Golos, die sich mit Wahlüberwachung befasst und die sich in Russland als „ausländischer Agent“registrieren lassen musste, gingen mehr als 2900 Beschwerden ein. Vor allem Mehrfachabstimmungen seien beobachtet worden. Mitschnitte von Videos aus den Wahllokalen zeigten zudem, wie in entscheidenden Momenten plötzlich Luftballons in den Farben Russlands die Überwachung der Videokameras verdecken. Es gebe in Russland keinen politischen Wettbewerb mehr, kritisierten am Montag auch die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Diese Manipulationen dürften dennoch keinen wahlentscheidenden Einfluss gehabt haben. Der Präsident Putin ist auch nach 18 Jahren Herrschaft noch beliebt.. „Putin ist ein cleverer, autoritärer Manipulator der Öffentlichkeit. Und er ist echt populär. Beides zugleich“, sagte der Journalist Ilja Losowski.