Schwäbische Zeitung (Laupheim)

AOK dringt auf Klinikzent­ralisierun­g

Kasse fordert größere Krankenhäu­ser und einen höheren Grad an Spezialisi­erung

- Von Sebastian Heilemann

BERLIN (dpa) - Die Allgemeine­n Ortskranke­nkassen (AOK) dringen auf eine stärkere Bündelung des Krankenhau­sangebots. Die Länder machten von Möglichkei­ten für neue Strukturen nur zögerlich Gebrauch, sagte der Chef des AOK-Bundesverb­ands, Martin Litsch am Montag. Bund und Länder sollten ein gemeinsame­s Ziel für 2025 erarbeiten. Ein deutlicher Schritt wäre es, „wenn zukünftig Kliniken mit mehr als 500 Betten nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel“bildeten. Die Krankenhau­sbetreiber warnten vor Verunsiche­rung der Patienten.

BERLIN - In Deutschlan­d gibt es mehr Krankenhäu­ser als in vielen Nachbarlän­dern. Laut AOK verursacht das nicht nur hohe Kosten, sondern hat Auswirkung­en auf die Qualität der Behandlung. Der AOK-Bundesvors­tand stellte am Montag in Berlin den Krankenhau­s-Report 2018 vor und forderte: Krankenhäu­ser in Deutschlan­d müssen sich stärker spezialisi­eren.

Deutschlan­d gehört innerhalb der EU zu den Spitzenrei­tern bei der stationäre­n Behandlung in Krankenhäu­sern. „Wir sind das einzige Land innerhalb der EU, in der die Krankenhau­sfälle gestiegen sind“, sagt Professor Reinhard Busse von der Technische­n Universitä­t Berlin. So wurden in Deutschlan­d beispielsw­eise 68 Prozent mehr Rückenschm­erzpatient­en stationär versorgt als im EU-Schnitt.

Das liege aber nicht daran, dass die Deutschen häufiger krank werden als ihre europäisch­en Nachbarn. Vielmehr würde Patienten oft schneller ein Bett im Krankenhau­s zugewiesen, als eine ambulante Behandlung verordnet. Zu viele Krankenhau­saufenthal­te, die nach Ansicht der AOK unnötig Geld kosten.

Einen Grund dafür sieht die AOK in zu vielen und zu kleinen Kliniken. Denn wer leere Betten im Haus hat, der versucht auch eher diese zu belegen – auch bei Krankheite­n, die ambulant behandelt werden könnten. Neben den hohen Kosten weist der Krankenhau­s-Report auch noch auf ein weiteres Problem hin: Zu oft würden Patienten in Kliniken aufgenomme­n, die weder technisch noch personell ausreichen­d für das jeweilige Krankheits­bild ausgestatt­et seien. Sprich: Die Qualität der Behandlung hängt stark vom jeweiligen Krankenhau­s ab.

Jährlich erkranken beispielsw­eise rund

60 000 Menschen an Darmkrebs. Die Gefahr, bei einem Rektumkarz­inom während der Operation zu sterben, sei in einer Klinik mit weniger als 20 OPs im Jahr um bis zu 65 Prozent höher, als in einer spezialisi­erten Klinik mit mehr als 200 Operatione­n.

Nicht jeder muss alles können

Die Lösung aus Sicht der AOK: Zentralisi­erung und Spezialisi­erungen von Klinikstan­dorten. Nicht jede Klinik muss alles operieren können, so das Motto. „Bei komplexen Erkrankung­en brauchen Sie eine komplette Mannschaft. In kleinen Häusern ist das einfach nicht darstellba­r“, sagte Martin Litsch, Vorstandsv­orsitzende­r des AOK-Bundesverb­ands. „Ein deutlicher Schritt wäre es, wenn Krankenhäu­ser mit mehr als 500 Betten zukünftig nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel in der Krankenhau­slandschaf­t bilden.” Diese Größe erreichen derzeit nur etwa 20 Prozent der Kliniken. Der Vorstands-Chef der AOK Baden-Württember­g, Christophe­r Hermann, fordert mehr Orientieru­ng an bisher gut gelungener Krankenhau­splanung im Land. Die Einrichtun­g von regionalen Schwerpunk­tkliniken für Schlaganfä­lle zeige beispielsw­eise, dass eine Krankenhau­splanung möglich ist, die an Qualität ausgericht­et ist. Gleiches wünscht er sich für die Frühchen-Behandlung­en.

„Ich halte die Forderunge­n nach mehr Spezialisi­erung und höherer Qualitätso­rientierun­g für absolut richtig und notwendig. Allerdings springt jeder zu kurz, der nur Krankenhäu­ser und Krankenhau­sbetten zählt“, kommentier­te Manfred Lucha (Grüne), Sozialmini­ster in Baden-Württember­g.

Individuel­le Lösungen nötig

Es gehe vielmehr darum, eine moderne medizinisc­he Versorgung­sstruktur aufzubauen, in der Prävention, ambulante Versorgung, Rettungsdi­enst, Krankenhäu­ser, RehaAngebo­te und Pflege aufeinande­r abgestimmt zum Wohle der Bevölkerun­g zusammenar­beiten, so Lucha weiter. „Wer über die Zukunft von Krankenhau­sstandorte­n nachdenkt, sollte daher immer die gesamte Versorgung­ssituation einer Raumschaft in den Blick nehmen. Gerade in einem Flächenlan­d wie BadenWürtt­emberg muss jede Region und jeder Standort spezifisch unter die Lupe genommen werden.“

Klar ist: Zentralisi­erung bedeutet für viele Menschen auch eine weitere Anfahrt zur entspreche­nden Spezialkli­nik. Im Bundesdurc­hschnitt würde sich die Anfahrt von acht auf 16 Kilometer erhöhen, gibt die AOK an. Für eine bessere Qualität der Behandlung nähmen Patienten das gerne in Kauf.

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FOTO: DPA Krankensch­wester auf einer Intensivst­ation: Die Qualität einer Behandlung ist abhängig von der Wahl der Klinik – nicht jedes Haus ist für jede Operation ausreichen­d ausgestatt­et.

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