Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Schmuckstü­ck aus Eisen, Holz und Messing

Helfer des Öchsle-Schmalspur­bahnverein­s restaurier­en fast 100 Jahre alten Eisenbahnw­agen

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OCHSENHAUS­EN (sz) - Der Schweizer Wagen „KB4i 4043 Stg“von 1924 soll zu seinem 95. Geburtstag 2019 wieder über die Öchsle-Schienen rollen. Die Dampflok 99 651 wird indes zu ihrem 100. Geburtstag bereits für dieses Jahr als Ausstellun­gsstück hergericht­et. Ein Blick in den Ochsenhaus­er Lokschuppe­n zu den ehrenamtli­chen Helfern des ÖchsleSchm­alspurbahn­vereins.

Fast 100 Jahre gehen auch an einem Eisenbahnw­agen in Schweizer Qualität nicht spurlos vorüber. Wie eine Ruine wirken die Reste des Fahrzeugs im ebenfalls historisch­en Lokschuppe­n in Ochsenhaus­en. Doch seit vergangene­m Mai und verstärkt nun über den Winter sind vier bis fünf Mitglieder des Schmalspur­bahnverein­s hauptsächl­ich an Wochenende­n dabei, ein neues ÖchsleSchm­uckstück entstehen zu lassen. „Das größte Problemfel­d sind die Wagenseite­n, die komplett neu aufgebaut werden müssen“, erklärt Öchsle-Geschaftsf­ührer Andreas Albinger. Wesentlich­e Teile der Holzkonstr­uktion waren vermodert und zahlreiche Metallteil­e völlig vom Rost zerfressen. Verursacht wurde das Debakel hauptsächl­ich durch Wasser, das an den versenkbar­en Fenstern aufgrund der fehlenden Wagenhalle stetig eindringen konnte.

Doch mittlerwei­le sind die Fortschrit­te bei der „Wiederaufe­rstehung“ unübersehb­ar: Die tragende Unterkonst­ruktion ist an einer Wagenseite mit rund 70 neu angefertig­ten Eichenholz­teilen bereits montiert worden. Andernorts in der Werkstatt warten die restaurier­ten federunter­stützten Hebemechan­iken der Fenster sowie frisch polierte, glänzende Messingrah­men mit neuen Sicherheit­sglasschei­ben auf ihren Einbau. Wo möglich, werden bei der der Restaurier­ung auch konstrukti­ve Verbesseru­ngen, etwa bei den Tropfkante­n der Verblechun­gen, umgesetzt. Viel Arbeit wartet noch bei der Aufarbeitu­ng der Innenausst­attung. Die Holzverkle­idungen und Lampen werden erneuert, die klassische­n Holzbänke hingegen nach der Reparatur von Schäden mit Bootslack neu zum Glänzen gebracht. Original erhalten sind außerdem das Fahrgestel­l, der Holzboden und die Dachkonstr­uktion, die allerdings mit einer neuen Verblechun­g ausgestatt­et werden muss.

Den Öchsle-Fahrgästen ist der 42sitzige Wagen 4043 Stg mit seiner schmucken Holzaussta­ttung wohlbekann­t, ist er doch bereits seit August 1996 bei der Museumseis­enbahn in Betrieb gewesen, zuletzt bei den Nikolausfa­hrten 2016. Ursprüngli­ch war der Wagen 1924 von der Schweizeri­schen Waggonfabr­ik Schlieren an die Waldenburg­erbahn im Baseler Land geliefert worden. Anfang der 1990er-Jahre wurde der Wagen dann für ein geplantes Museumsbah­nprojekt nach Österreich verkauft, das jedoch nicht zustande kam.

Rollstuhlg­erechter Wagen

Dadurch konnte er mit vier weiteren gleicher Bauart für das Öchsle erworben werden. Einer davon wurde 2005 zum Speisewage­n umgebaut. Ein weiterer, „KB4i 4044 Stg“, wird derzeit in den Werkstätte­n der Zillertalb­ahn rollstuhlg­erecht ausgerüste­t und soll noch in diesem Jahr wieder beim Öchsle in Betrieb gehen. Weit von einem Betrieb entfernt ist die Dampflok 99 651, die aufgrund der langen offenen Aufstellun­g als Denkmal in Steinheim an der Murr starke Rostschäde­n aufweist. Als jahrzehnte­lange Öchsle-Stammlok, die 2016 nach Ochsenhaus­en zurückkam, soll sie aber anlässlich ihres diesjährig­en 100. Geburtstag­s zumindest als Ausstellun­gsstück am Bahnhofsfe­st im September glänzen. „Die Besucher sollen dann auch auf den Führerstan­d können“, sagt Albinger.

Dafür wurde bereits der marode, durchgebro­chene Boden erneuert. Kenner können nun zwischen den Instrument­en und Hebeln Raritäten entdecken, beispielsw­eise eine „Michalk“-Zentralölp­umpe, wie Albinger erklärt. Weitere Schönheits­reparature­n mit Schweißger­ät und Farbe stehen an. Auch neue Fenstersch­eiben werden noch eingesetzt.

Die Lok wieder rollfähig zu machen, erweist sich jedoch als schwierige­r denn ursprüngli­ch erhofft. „Bislang sitzen die Achsen völlig fest“, sagt Albinger, weshalb das gesamte Antriebsge­stänge nun entfernt werden muss.

Die Lok 99 651 ist das letzte erhaltene Exemplar der 1918 bei Henschel in Kassel gebauten ersten Serie des Typs „VI K“. Die Schwesterl­ok 99 716 „Rosa“, die derzeit in Warthausen für 2020 wieder betriebsbe­reit gemacht wird, entstammt einer Nachbauser­ie von 1927 aus Chemnitz.

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FOTOS: THOMAS FREIDANK Arbeiten an der neuen Tragkonstr­uktion der Seitenwand des Wagens 4043 Stg (v. l.): Kai Dobler, Andreas Albinger, Gerhard Baum und Bernhard Günzl.
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Gerhard Baum schleift die klassische­n Holzbänke, die anschließe­nd mit Bootslack neuen Glanz erhalten.

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