Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Denkmal auf Rädern

Michael Schick hat einen Unimog erworben, der einst für die Firma Steiner Hopfen fuhr

- Von Roland Ray

Michael Schick hütet einen Unimog, der einst für Steiner Hopfen fuhr.

LAUPHEIM - Vorglühen, Zündschlüs­sel drehen, Start! Mit kernigem Dieselmoto­renklang rollt das Fahrzeug aus der Garage: ein Unimog 401, Baujahr 1954. Auf den Türen steht „Simon H. Steiner Hopfen G. m. b. H. Laupheim“– dieser Firma leistete er gute Dienste. Im vergangene­n Sommer hat Michael Schick den Oldtimer erworben. Für ihn knüpfen sich Erinnerung­en an Kindheit und Jugend daran.

Das Unternehme­n Steiner Hopfen, 1845 von jüdischen Laupheimer­n gegründet, wurde im „Dritten Reich“zwangsliqu­idiert. Nach dem Krieg hat Helmut Steiner den Betrieb in Laupheim von der Schweiz aus wieder aufgebaut. Als Bedarf war an einer leistungss­tarken Zugmaschin­e, fiel die Wahl auf den Unimog 401, einen robusten Alleskönne­r, der in unterschie­dlichen Ausführung­en bei Landwirten und Forstleute­n, bei Kommunen und beim Militär Karriere machte.

Am 11. August 1954 wurde ein Fahrzeug dieses Typs auf die Firma Steiner zugelassen. Alfons Münst, ein Mitarbeite­r, durfte es im MercedesWe­rk in Gaggenau abholen. Es war mit einem Fahrer- und Laderaumve­rdeck und Sitzbänken auf der Ladefläche ausgestatt­et. Der Vier-ZylinderDi­esel leistet 25 PS, im ersten Gang beträgt die Zuglast 40 Tonnen.

In Laupheim wurde der in Kieselgrau ausgeliefe­rte Unimog in die Steinersch­e Firmenfarb­e Moosgrün umlackiert. Mit seiner Hilfe wurde der am Bahnhof angeliefer­te, auf einen Pritschenw­agen verladene Hopfen ins Magazin transporti­ert. Neben dem Hopfenhand­el bewirtscha­ftete die Firma Steiner 15 Hektar Ackerland; auch hier fielen Transporte an. Alfons Münst berichtet, dass er oft mit zwei Anhängern 86 Kilometer weit nach Siggenweil­er bei Tettnang fuhr; dort war ein weiterer Betrieb der Firma Steiner, wurden die landwirtsc­haftlichen Erzeugniss­e aus Laupheim vermarktet.

1969 wurde der Unimog 401 durch ein Nachfolgem­odell ersetzt und an einen Landwirt in Voggenreut­e bei Ingoldinge­n verkauft. Über einen weiteren Besitzer fand er zu Otmar Götz nach Untersulme­tingen, ein Unimog-Liebhaber, der das zwischenze­itlich geschunden­e Gefährt instand setzte. Von Götz hat Michael Schick, Kriminalte­chniker von Beruf und ein Bewahrer der jüdischen Geschichte Laupheims, den „401“im August 2017 gekauft.

Schick, 1968 geboren, hat einen besonderen Bezug zu dem „rollenden Denkmal“, wie er es nennt. Sein Vater arbeitete von 1974 an als Maschinens­chlosser bei Steiner Hopfen; im Sommer 1975 bezog die Familie eine Betriebswo­hnung in der Kapellenst­raße, in unmittelba­rer Nachbarsch­aft des Verwaltung­sgebäudes und des Hopfenmaga­zins. „Ich bin mit dem Geruch von Hopfen in der Nase aufgewachs­en“, erzählt der Sohn. In den Hopfenhall­en, nach dem Wegzug der Firma Steiner in den 1990er-Jahren abgerissen, parkte er sein Kettcar, später Fahrrad, Auto und Motorrad. Und stets hat er als Bub den Unimog 421 bewundert, den Nachfolger des „401“.

„Ich möchte die Seele des Fahrzeugs erhalten.“

Michael Schick über seinen Unimog 401

Den „401“hat Michael Schick in gutem Zustand übernommen. Er hat die Elektrik überholt und will das Gefährt technisch in Schuss halten, ansonsten aber den jetzigen Zustand konservier­en und so „die Seele des Fahrzeugs erhalten“.

Freilich: Der „401“hat TÜV, ist für den Straßenver­kehr zugelassen und wird gelegentli­ch chauffiert. Im vergangene­n Dezember bot sich ein ganz besonderer Anlass. Die jüdische Gemeinde Ulm brachte eine neue Tora-Rolle in die Synagoge am Weinhof ein, was traditione­ll ein großes Fest ist und mit einem Umzug mit Tanz und Gesang gefeiert wird. Vorneweg, im „Ackergang“, sprich mit Schrittges­chwindigke­it, rollten Michael Schick und seine Tochter Julia im Steinersch­en Unimog; auf der Ladefläche standen die Lautsprech­er für die Musik. Schick, Mitglied im Fördervere­in Neue Synagoge Ulm, hatte dies angeboten – „Rabbi Shneur Trebnik war begeistert“.

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FOTO: ROLAND RAY
 ?? FOTO: ROLAND RAY ?? Jederzeit fahrbereit ist der Unimog 401, Baujahr 1954, den Michael Schick vor einigen Monaten erworben hat. Die Türen tragen noch den Schriftzug „Simon H. Steiner Hopfen G. m. b. H. Laupheim“.
FOTO: ROLAND RAY Jederzeit fahrbereit ist der Unimog 401, Baujahr 1954, den Michael Schick vor einigen Monaten erworben hat. Die Türen tragen noch den Schriftzug „Simon H. Steiner Hopfen G. m. b. H. Laupheim“.
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Ein Tag der Freude: Am 3. Dezember 2017 wurde in der jüdischen Gemeinde Ulm eine neue Tora-Rolle in die Synagoge eingebrach­t, und Michael Schick und seine Tochter Julia fuhren im Unimog an der Spitze des Umzugs.
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FOTOS (3): MICHAEL SCHICK 25 PS leistet der Dieselmoto­r, als Höchstgesc­hwindigkei­t nennt der Hersteller 52 km/h.
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