Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ergreifend
Georg Philipp Telemann hat im Laufe seines langen Lebens mehrere Dutzend Passionsmusiken nach Evangelienberichten komponiert. Neben solchen für liturgische Belange entstandenen Werken schrieb er einige Passionsoratorien, die nicht dem vollständigen biblischen Wortlaut folgen, sondern die Leidensgeschichte Christi in freierer Gestaltung vergegenwärtigen. Zu Telemanns bedeutendsten Werken dieser Art zählt das heutzutage selten zu hörende Passionsoratorium „Seliges Erwägen des bittern Leydens und Sterbens Jesu Christi“von 1722. Telemann hat es „zur Beförderung heiliger Andacht in verschiedene Betrachtungen (...) abgefasset“. Gemeint sind neun Meditationen über wichtige Stationen jener Geschichte vom Abendmahl über Verspottung, Anklage, Folter, Kreuzigung und Tod bis zur Grablegung.
Das Freiburger Barockorchester hat die zu einem Oratorium von knapp zwei Stunden Dauer zusammengefassten „Betrachtungen“in Form kleiner Solokantaten mit Rezitativen, Arien und vierstimmigen Choralsätzen jetzt vorbildlich eingespielt. Die exzellente Sopranistin Anna Lucia Richter gibt der „Andacht“und weiteren allegorischen Rollen eine empfindsame Stimme. Als Jesus beeindruckt der Bariton Peter Harvey mit ergreifender Deklamation. Das farbig und subtil instrumentierte, von dramatischem Gespür und tonmalerischem Reichtum getragene Werk empfiehlt sich als kostbare Alternative zu den bekannten Passionen von Bach. (wmg)