Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Wie es hätte sein können
Helmut Lethen bringt in „Die Staatsräte“die NS-Kulturelite in fiktiven Gesprächen zusammen
Wie leichtfertig hat sich die deutsche Elite dem Nationalsozialismus hingegeben? Das fragt der Germanist und Kulturwissenschaftler Helmut Lethen in seinem Buch „Die Staatsräte“. Er hat vier Persönlichkeiten aus Kunst und Wissenschaft zusammengenommen, die den Pakt mit Hitler schlossen. Es sind erfundene Gespräche zwischen dem Schauspieler und Intendanten Gustaf Gründgens (1899-1963), dem Dirigenten und Komponisten Wilhelm Furtwängler (1886-1954), dem Chirurgen Ferdinand Sauerbruch (1875-1951) und dem Staatsrechtler Carl Schmitt (1888-1985).
Kurz nach Adolf Hitlers Machtübernahme bemächtigte sich Hermann Göring des Preußischen Staatsrats. Er wollte das Staatsorgan als eine Art Beratungsgremium für Hitler etablieren. Mit ihrer Berufung in die rein dekorative Versammlung sollten die 70 Honoratioren dazu beitragen, das Bürgertum zu beruhigen. Gründgens, Furtwängler, Sauerbruch und Schmitt standen für Geist, Ordnung und Verbindlichkeit, sie sollten dem Regime den Schein des Seriösen verleihen und die Sorge entkräften, das „Dritte Reich“bedeute einen Rückfall in die Barbarei.
Lethens Buch ist die Zusammenfassung einer jahrzehntelangen Auseinandersetzung mit seinem Gegenstand. Es lässt sich auch als Abgesang auf jene Protagonisten der „heroischen Moderne“lesen, auf all die Künstler und Wissenschaftler, die meinten, in das Rad der Geschichte eingreifen zu können. In ihren „Echokammern“hätten sie sich aber gleichgültig verstrickt, lautet dann am Ende Lethens Fazit.