Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Politik gegen die Einsamkeit
Die spinnen, die Briten – dachten frei nach Asterix so einige, als Großbritanniens Regierungschefin Theresa May Anfang des Jahres eine Ministerin für Einsamkeit ernannte. Doch der Vorwurf ist ungerecht – zumindest bei diesem Thema. Es könnte sein, dass man im Inselreich nur früher als in anderen Ländern die Gefahr erkannt hat. Viele sprechen bereits von einer neuen Epidemie.
Einsamkeit betrifft längst nicht mehr nur alte, alleinstehende Leute. Lebensläufe werden instabiler, die Menschen wechseln die Orte, Familien brechen auseinander. Und Kontakte werden in der digitalen Welt weniger. Wer früher noch mit dem Bankkassierer ein Schwätzchen machte, erledigt heute seine Bankgeschäfte im Internet. Viele kommunizieren fast nur noch über Facebook und WhatsApp. Doch Versuche haben gezeigt, dass verzweifelte Kinder sich etwas getröstet fühlen, wenn sie die Stimme der Mutter am Telefon hören. Aber nicht, wenn sie eine SMS von ihr lesen.
Die digitale Kommunikation kann ergänzend sein, aber sie wird es niemals ersetzen können, Menschen zu sehen, zu hören, zu fühlen, zu riechen. Je mehr die digitale Unterhaltung aber anstelle des direkten Kontakts tritt, desto mehr wächst die Einsamkeit. Jugendliche, die in stundenlanger Arbeit an ihren Selfies basteln, statt mit anderen einfach Spaß zu haben, geraten durch die digitalen Vorbilder in Selbstoptimierungsstress, sie nehmen sich und andere nicht mehr einfach so an, wie sie sind. Das ist eine Gefahr.
Und doch betrachten viele Einsamkeit als persönliches und nicht als gesellschaftliches oder gar politisches Problem. Das ist es aber längst. Denn Einsamkeit kann krank machen. Deshalb müssen nicht nur Senioren mehr in die Gemeinschaft eingebunden werden, sondern auch Jüngere. Es ist wichtig, dass sich niemand schämt, weil er alleine ist, sondern genügend Möglichkeiten bekommt, den Zustand zu überwinden. Was man tun kann, um soziale Isolation zu beenden, gehört längst auf die politische Tagesordnung. Nicht nur in Großbritannien.