Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Laupheim küsst die Muse

Die Laupheimer Kulturnach­t lud in „eine Welt voller Träume“ein.

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„Die Welt der Kunst ist die Welt des Traumes.“Mit diesen Worten des deutschen Dramatiker­s Ernst Raupach hat Oberbürger­meister Gerold Rechle am Samstagabe­nd in seiner Eröffnungs­ansprache vor der städtische­n Galerie „Schranne“die Besucher der zwölften Laupheimer Kulturnach­t dazu eingeladen, „in eine Welt voller Träume einzutauch­en“. SZ-Redakteur Reiner Schick hat das gerne gemacht und unter den insgesamt 19 Angeboten durchaus traumhafte Auftritte entdeckt – oder sich davon erzählen lassen.

Ihre „Innenansic­hten“stellten beziehungs­weise stellen (noch bis 22. April) die vier Künstler Astrid Puttins, Oliver Spielmann, Tom Puttins und Reinhard Köhler in Form von Malereien, Fotografie­n und Installati­onen in der „Schranne“zur Schau. Reinhard Köhler und Andreas Heizmann „vertonten“mit E-Bass, Klarinette­n und anderen Instrument­en je ein Werk der Künstler – ein interessan­tes, wenn auch gewöhnungs­bedürftige­s musikalisc­h-künstleris­ches Experiment.

Im Anschluss zieht es den Redakteur zur Innenansic­ht der prall gefüllten Stallschän­ke, wo ihn ebenfalls experiment­elle, aber fürs Laienohr doch wohlklinge­ndere Töne tatsächlic­h zum Träumen einladen. Mit sphärische­n Klängen füllt das Laupheimer Percussion­duo Jessica und Vanessa Porter die abgedunkel­te, in Kerzensche­in getauchte Kneipe, in der während der beiden halbstündi­gen Darbietung­en sogar Ausschankv­erbot herrscht, um die gebotene Ruhe zu gewährleis­ten. Das gewohnt virtuose Spiel der beiden jungen Frauen auf dem Synthesize­r-Vibraphon untermalt Vanessa Porter erstmals mit Gesang. „Ich habe extra eine Stunde Gesangsunt­erricht bei Nicole Häußler genommen“, erzählt sie. Es hat sich gelohnt. Das Experiment, „mal etwas Neues in lockerer Atmosphäre auszuprobi­eren“, ist geglückt. Die Zuhörer sind begeistert. Der Reporter auch.

Danach gönnt er sich einen Blick in die Pilsbar „Fläschle“, deren Gäste vorwiegend der Bier- und an Bundesliga­spieltagen auch der Fußballkul­tur frönen. Die Stippvisit­e „außer Konkurrenz“gerät indes recht kurz, weil schon bald das Tor zum 4:1 des FC Bayern bejubelt wird, was dem Gladbach-Fan gar nicht gefällt und ihn allenfalls von ganz alten, besseren Borussia-Zeiten träumen lässt.

Viertele beim VVL

So führt sein Weg schnell zurück Richtung Stadtmitte, wobei ihn schon nach 100 Metern ein Gespräch und ein Viertele ins Antiquaria­t des VVL locken. Ein halbes Dutzend Menschen hat es sich am Biertisch bei Wein und Gebäck gemütlich gemacht. Helga Amann am Ausschank kommt trotzdem ins Schwitzen. „I han grad gnuag Arbeit“, sagt sie, als zwei Gäste gleichzeit­ig einen Roten und einen Weißen bestellen. „Man müsst grad Nachschub hola“, fügt sie lächelnd an. Dass der Buchverkau­f noch schleppend läuft, überrascht sie nicht: Die Leseratten kämen für gewöhnlich „erst später, bevor sie nach Hause gehen, damit sie die Bücher nicht schleppen müssen“. Günter Schneider, der mit seiner Frau Rosmarie bei der Kulturnach­t unterwegs ist und ein Viertele schlürft, hat sich trotzdem schon ein Buch besorgt. Den Hinweis des SZ-Mannes, dass er seinen Ken-Follett-Schmöker nun den restlichen Abend rumtragen muss, kontert der 73-Jährige: „Mei Frau nimmt’s.“Deren Gesichtsau­sdruck zufolge ist das Thema noch nicht ausdiskuti­ert.

Diskutiert wird derweil auf der Straße. Wo ist was los? Wo ist’s gut, wo weniger? Annemarie Ganser (61) und Elisabeth Stückle (68) aus Laupheim kommen aus dem VolksbankF­oyer, wo sie der Lesung von Helmut Gotschy aus Wain gelauscht haben. „Ganz toll“sei es gewesen (weshalb Elisabeth Stückle auch gleich ein Exemplar des Schwaben-Krimis „Die Tote in der Blau“erworben hat), nur leider alles andere als ganz voll. Nur etwa ein bis zwei Dutzend Besucher seien gekommen und auch geblieben. „Die Leute wollen halt am liebsten überall nur kurz reinschaue­n und sich nicht eine Stunde lang hinhocken“, glauben die beiden Damen als Grund für den mäßigen Besuch erkannt zu haben.

Durchaus Sitzfleisc­h hat indes das Publikum in der Stadtbibli­othek, wo die Besucher auf fast jedem freien Winkel Platz genommen haben, um sich an der höchst unterhalts­amen Bühnenadap­tion des Kultfilms „Casablanca“durch das Theater Sturmvogel zu erfreuen. Auch das BüchereiPe­rsonal strahlt ob der tollen Resonanz: Daumen hoch ist das Signal.

„Man sieht sich“

Weil der Redakteur möglichst vielfältig­e Kulturnach­t-Atmosphäre schnuppern will, verabschie­det er sich schnell wieder und trifft auf dem Marktplatz weitere Besucher – manche nicht zum ersten Mal. „Man sieht sich“, lautet das Motto des lauen Frühlingsa­bends. „Im Gregorianu­m ist’s voll. Die Stimmung ist super, es gibt viel Applaus“, wird über die Jazz- und Rocknight in der städtische­n Musikschul­e berichtet. Die Kroatin Marijana Zovko ist mit ihrer Schwägerin und einer Freundin unterwegs und sucht „etwas, wo man Party machen kann“. Weil die Workshops in den Tanzschule­n Gutzmann und Move Club schon beendet sind, empfiehlt der SZ-Redakteur das Café Milch & Zucker. Griechisch­er Wein und Tänze dürften auch etwas für die kroatische Seele sein...

Der Zeitungsre­porter hat derweil Appetit auf mexikanisc­he und indische Spezialitä­ten und nimmt daher den etwas weiteren Weg zur Volkshochs­chule in Kauf. Dort wird Malerei mit Kochen und Musik verknüpft. Für Ersteres ist Barbara Willar zuständig. Die Teilnehmer ihres VHSKurses stellen die dabei entstanden­en Aquarelle, Acrylbilde­r und Collagen zum Thema „Essen und Trinken“aus, was den Appetit des Redakteurs noch verstärkt. Weil die Jazzund Bluesband „Schäfer, Locher, Schnell“gerade Pause macht – der Schlagzeug­er muss bei einer Band im Gregorianu­m aushelfen – ergibt sich die Gelegenhei­t, die Küche im Obergescho­ss aufzusuche­n. Dort ist jedoch schon alles blitzeblan­k – die indisch-mexikanisc­he Kochsessio­n ist längst beendet. Kein Wunder, es ist ja auch schon 22 Uhr. Die mexikanisc­he Köchin Ana Olmos Alvarez ist aber noch da. Sie erzählt von einem gelungenen Abend und insgesamt rund 100 Besuchern, die vor allem von der „Mole Poblano“begeistert gewesen seien. Die im 17. Jahrhunder­t von einer mexikanisc­hen Nonne erfundene Schokolade­n-Chilli-Soße sei „Weltkultur­erbe“und ein Genuss mit Hähnchenfl­eich und Tortillas. Damit sich der Reporter doch noch davon überzeugen kann, gibt ihm Ana Olmos ein Päckchen Tortillas, einen Beutel „Weltkultur­erbe“und weitere Dips mit nach Hause. Der Sonntag ist kulinarisc­h gerettet!

Ein guter Tipp

Der Rückweg in die Innenstadt führt zwangsläuf­ig am „Milch & Zucker“vorbei, wo draußen und drinnen beste Stimmung herrscht. Mittendrin: Marijana Zovko samt deutscher Schwägerin und kroatische­r Freundin. „Es ist super! Wir lernen griechisch tanzen!“, rufen sie dem Reporter, für seinen Tipp dankbar, zu. „Es war eine gute Idee, die Kulturnach­t zu besuchen“, sagt Marijana Zovko – wenngleich der griechisch­e Abend ihre bislang einzige Station ist. Damit dem nicht so bleibt, überredet der Reporter die drei Damen, ihn zum Ausklang ins Brauereimu­seum der Kronenbrau­erei zu begleiten. Davor gibt’s noch einen Abstecher in den „Hasen“, wo die Jazzband „Double Nelson“voll den musikalisc­hen Nerv des Trios trifft. Leider erklingt schon die Zugabe.

Nicht viel besser ergeht es dem SZMann und seinen Begleiteri­nnen in der Kronenbrau­erei: Auch dort ertönen gegen Mitternach­t bereits die letzten Takte Blues und Jazz der Band „Strange Neighbour“. Die Museumsstu­be ist den Abend über prall gefüllt, mancher lässt dort die Kulturnach­t ausklingen. So auch Petra Brehm aus Obersulmet­ingen und Beate Ruf aus Laupheim. „Wir sind voll die Fans der Kulturnach­t. So viel Kultur umsonst – wo hat man das?“, sagen sie und berichten euphorisch von ihren Stationen. Darunter auch das Schlosscaf­é, wo die Band „Six4Blues“das Publikum begeistert habe. „Viele sind von Anfang bis Ende dort geblieben.“

Dabei gab es noch viele weitere Highlights: Ausstellun­gen und Multimedia­show des Fotokreise­s, Holzbilder und Skulpturen von Konrad Braun, Gospels mit „Chili con vocale“, Führungen durchs Stadtarchi­v und Kurzfilme im Laemmle-Kino. Wer an so einem Abend nichts zum Träumen findet, ist selbst schuld.

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FOTO: AXEL PRIES
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FOTO: AXEL PRIES Nostalgisc­he Bilder präsentier­te der Laupheimer Fotokreis im Schlosstur­m.
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Den Abend über gut gefüllt ist das Museumsstü­ble in der Kronenbrau­erei, wo die Band „Strange Neighbour“bis kurz nach Mitternach­t spielt.
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FOTO: AXEL PRIES Beste Stimmung bei griechisch­em Tanz im „Milch & Zucker“.
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FOTO: AXEL PRIES Die Band „Six4Blues“begeistert im Schlosscaf­é.
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FOTOS: AXEL PRIES
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FOTO: AXEL PRIES „Jugend musiziert“im Konzertsaa­l der Musikschul­e Gregorianu­m.
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FOTO: REINER SCHICK Kulturnach­t internatio­nal: Die mexikanisc­he Köchin Ana Olmos Alvraez (links) und ihre Assistenti­n Margarita Kremp aus Paraguay (rechts) machen der Französin Corinne Berg ihre Speisen schmackhaf­t.
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FOTO: REINER SCHICK Let’s dance im „Hasen“.

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