Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Autobauern drohen Abhängigkeiten
Autobauer, Zulieferer und Politik ringen um den Aufbau einer Batteriezellenfertigung
BERLIN (dpa) - Wegen der Dominanz asiatischer Batteriekonzerne drohen deutschen Autobauern Abhängigkeiten und eine Verschiebung der Machtbalance. Das könnte die Gewinne drücken und Folgen für die Beschäftigung haben. Politik und Gewerkschaften drängen auf eine Fertigung in Deutschland.
WOLFSBURG/BERLIN (dpa) - Motor und Getriebe. Darin vor allem ist die deutsche Autoindustrie bislang stark. Ihre Gewinne macht sie hauptsächlich mit schweren SUVs, und die werden meistens von einem Diesel angetrieben. Zwar investieren Volkswagen, BMW und Daimler Milliarden in die E-Mobilität. Doch Elektroautos brauchen Batterien, und das Herzstück der Batterien sind Batteriezellen. Dieser Markt aber wird von asiatischen Konzernen dominiert.
Die deutsche und europäische Autoindustrie droht in Abhgängigkeit zu geraten. Die asiatischen Batteriehersteller könnten zum Beispiel die Preise diktieren. Vor allem, wenn die E-Mobilität, wie von vielen Experten prognostiziert, bald den Massenmarkt erobert und somit die Nachfrage ansteigt.
Im gleichen Maße, in dem die Elektrifizierung sich verbreite, werde es zum Problem, wenn ein Wertschöpfungselement fehle, sagt der Autoexperte Stefan Bratzel. Stattdessen mache sich die Branche abhängig: „Da geht man schon ein Risiko ein. Das einfach so den Asiaten zu überlassen, halte ich für hochkritisch.“
Batteriezellen sind entscheidend bei der Fertigung der Batterien für E-Autos. Asiatische Unternehmen beherrschen den Markt – allen voran der japanische Elektronikriese Panasonic, der etwa Tesla beliefert. Dazu kommen noch die südkoreanischen Konzerne LG, bei dem zum Beispiel Daimler seine Zellen kauft, sowie Samsung. Ein weiterer größerer Anbieter ist etwa der chinesische CATL-Konzern.
„Verschiebung der Machtbalancen“
Wegen der Dominanz asiatischer Batteriekonzerne befürchtet Branchenexperte Wolfgang Bernhart von der Unternehmensberatung Roland Berger eine „Verschiebung der Machtbalancen“zulasten der deutschen Hersteller. Zwar hingen die Automobilhersteller auch bei anderen Komponenten von Zulieferern ab. „Aber der große Unterschied ist: Bei der Batteriezelle besteht die Gefahr, dass ein großer Teil der künftigen Wertschöpfung nicht bei den Autoherstellern liegt. Das könnte die Gewinne drücken. Und das könnte Folgen für die Beschäftigung haben“, so Bernhart.
Das Problem ist: Eine Fertigung von Batteriezellen in Deutschland ist teuer. Das liegt vor allem an den vergleichsweise hohen Strom- sowie Personalkosten. Dennoch rückt eine eigene Batteriezellenfertigung zunehmend in den Blickpunkt – auch der Politik. Denn es geht am Ende um Jobs.
Die Zellenfertigung selbst sei nicht sehr beschäftigungsintensiv, sagt IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. „Sollte die deutsche Autoindustrie jedoch strategisches Know-how verlieren, wird sie ihre führende Rolle nicht halten können. Das wird dann auch Folgen für Standorte und Beschäftigung haben.“Es sei „höchste Zeit“für eine europäische Lösung. Schon heute könnten Unternehmen aus Fernost Preise und Liefermengen bestimmen. „Wenn die Elektromobilität an Fahrt gewinnt, muss mit Versorgungsengpässen gerechnet werden.“
Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) spricht sich für den Aufbau einer Batteriezellenproduktion in Europa aus. Dafür aber müsse ein zwei- bis dreistelliger Milliardenbetrag investiert werden. „Und da ist die Bundesregierung dabei, im Rahmen der beihilferechtlich zulässigen Grenzen das zu tun, was sie tun kann und dafür auch Geld in die Hand zu nehmen.“
Eine Batteriezellenfertigung sei sehr energieintensiv, betont Altmaier. Es gehe um die Frage, ob der Strom, der dafür gebraucht werde, von der Ökostromumlage befreit werden könne. „Dies würde es wesentlich leichter machen, eine solche Ansiedlung nach Europa zu holen.“Das müsse nun mit der EU-Kommission besprochen werden, die dies genehmigen müsse.
Es gibt bereits Ansätze. So plant das Unternehmen TerraE eine Großserienfertigung von Lithium-IonenZellen in Deutschland – bis zum Jahr 2028. In einem Konsortium zur Erforschung und Entwicklung von Prozessen für eine Zellfertigung ist unter anderem Siemens mit an Bord.
In der Autoindustrie gehen bei der Frage, ob eine eigene Zellfertigung notwendig ist, die Meinungen auseinander. VW etwa will bis Ende 2022 batterie-elektrisch angetriebene Fahrzeuge an weltweit 16 Standorten bauen lassen. Eine eigene Herstellung von Batteriezellen sieht die Konzernspitze aber derzeit nicht vor: „Das ist nicht unsere Kernkompetenz, das können andere besser“, heißt es aus der Chefetage in Wolfsburg. Dagegen betont VW-Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh: „Entgegen der Haltung des Vorstands von Volkswagen unterstützen wir als Betriebsrat keine Strategie, die darauf ausgerichtet ist, Zellen langfristig ausschließlich bei Zulieferern zu kaufen.“Im VolkswagenWerk Salzgitter wird bis 2019 eine Pilotfertigung von Batteriezellen aufgebaut, um Erfahrungen zu sammeln.
Automobilzulieferer uneins
Nach einer Studie der Unternehmensberatung EY wird die Produktion von Batteriezellen aber nicht in großem Stil in Deutschland stattfinden. EY-Autoexperte Peter Fuß sagte jedoch, es verdichteten sich die Anzeichen, dass hierzulande ein bedeutender Teil der anschließenden Fertigungsschritte aufgebaut werde.
Immerhin: Der Autozulieferer Continental hält sich die Option offen, in die Produktion sogenannter Festkörper-Batteriezellen einzusteigen. Diese halten Experten mittelfristig für entscheidend für die Massenproduktion von E-Autos.
Bosch dagegen wird auch künftig keine Batteriezellen produzieren. Gerade erst gab der Konzern bekannt, auf den Aufbau einer eigenen Zellfertigung zu verzichten und auch aus der Forschung weitgehend auszusteigen. An möglichen künftigen Konsortien will Bosch sich ebenfalls nicht beteiligen. Ziel müsse sein, Batteriezellen technisch zu verstehen – und nicht, sie zwingend selbst herzustellen.