Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Umjubelter Auftakt der Münchner Ballettfestwoche
Publikum feiert dreiteiligen Abend „Portrait Wayne McGregor“
MÜNCHEN (dpa) - Die Münchner Ballettomanen scheinen zuweilen noch enthusiastischer zu sein als die Opernfans. Pfiffe hallten am Samstagabend zur Eröffnung der Ballettfestwoche 2018 durch das Münchner Nationaltheater, begleitet von rauschendem Applaus, Fussgetrampel, Bravorufen. Das begeisterte Publikum wollte die Stars von Igor Zelenskys internationaler Tanztruppe und den britischen Choreographen Wayne McGregor gar nicht mehr von der Bühne lassen.
Bislang hatte der schon nicht mehr ganz neue Münchner Ballettdirektor Zelensky eine eher konservative Linie bedient, mit klassischen Handlungsballetten wie „Anna Karenina“, „Spartacus“und „Alice im Wunderland“, die auch im Rahmen der bis zum 22. April dauernden Ballettwoche zu sehen sind. Zur Eröffnung präsentiert Zelensky nun mit McGregor einen Star der freien Ballettszene. Der Brite gilt als einer der international führenden zeitgenössischen Ballettkünstler und wurde 2006 als erster Choreograph aus der Off-Szene zum Resident Choreographer des Royal Ballet in London berufen. Seinem Oeuvre widmet das Staatsballett einen dreiteiligen Portrait-Abend– Neuland zumindest für einen Teil der Compagnie, das in den vergangenen Wochen hart erarbeitet wurde.
Vivaldis Wetterstürme
Den Auftakt macht die 2014 in Zürich erstmals aufgeführte Kreation „Kairos“zu Live-Musik aus Antonio Vivaldis „Vier Jahreszeiten“, die der Komponist Max Richter im Geiste der „minimal music“elektronisch verfremdet hat. Zehn Tänzer verwandeln Vivaldis Wetterstürme in einen rauschenden Tornado, begleitet von den Lichtblitzen eines Stroboskops.
Mit „Sunyata“gibt es danach eine echte Uraufführung. Jeweils vier Tänzerinnen und Tänzer agieren zur Musik der finnischen Komponistin Kaija Saariaho, deren Werk für Orchester und Elektronik auf Gedichten des persischen Lyrikers Rumi basiert. Vor dem Hintergrund eines bunten Perserteppichs mit einem hineingeschnittenen Loch – es soll das buddhistische Konzept einer positiven Leere symbolisieren – spielt die Choreographie assoziativ mit der Dichtung. Untermalt wird dies von Orient-Orchesterklängen, in die Sequenzen der persischen Texte hineingesprochen werden.
Zum dritten Teil des Abends ist das Orchester aus dem Orchestergraben verschwunden; der Sound kommt aus großen Lautsprecherboxen am Bühnenrand. In „Borderlands“, uraufgeführt 2013 in San Francisco, frönt McGregor, inspiriert durch die Form- und Farbexperimente des Bauhauskünstlers Josef Albers, einer abstrakten Formensprache. Er animiert die Tänzerinnen und Tänzer zu roboterhaften Bewegungen oder lässt sie, wie unter Strom mit Armen und Händen zucken. Es gibt aber auch lyrische Elemente mit anmutiger Zweisamkeit, wobei der Soundtrack manchmal am Kitsch vorbeischrammt.
Für Zelenskys Truppe war der vielfältige Abend eine enorme Herausforderung, die sie überzeugend bis überragend bewältigten. Nicht zuletzt dank importierten oder in München zu Ruhm gelangten Ausnahmekünstlern wie dem Briten Jonah Cook, dem Kubaner Yonah Acosta, der Britin Laurretta Summerscales und der Brasilianerin Ivy Amista, die für Zelenskys runderneuerte Münchner Truppe stehen.