Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Wie Assad unliebsame Syrer enteignet
Durch ein Gesetz dürften Millionen ihren Grund und Boden verlieren – Menschenrechtler werfen dem Regime ethnische Säuberung vor
BEIRUT - Die Bundesregierung will gegen ein Dekret des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad vorgehen, das auf eine faktische Enteignung syrischer Flüchtlinge hinauslaufen würde. Man sei „äußerst besorgt“über das Dekret, sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag in Berlin. „Das syrische Regime und seine Verbündeten haben bewusst Oppositionsgebiete belagert, ausgehungert und bombardiert, um die Vertreibung der Zivilbevölkerung zu erzwingen.“Seit 2011 seien mehr als elf Millionen Syrer aus ihren Heimatorten vertrieben worden, fünf Millionen davon seien ins Ausland geflohen. „Und nun sollen die geflüchteten Menschen offenbar unter fadenscheinigem Vorwand enteignet und um Haus und Hof gebracht werden“, beklagte Demmer. Das erschwere natürlich auch die Rückkehr von Flüchtlingen.
Ahmed Itani ist einer von ihnen. Als er im Dezember 2016 sein Haus in Aleppo verlassen musste, wusste er, dass er es nie wieder betreten würde. „Ich hatte daher das Gebäude in Brand gesteckt, damit kein anderer darin wohnen konnte“, erzählt der 26-jährige Syrer. Ahmed lebt in einem mit Plastikplanen abgedichteten Rohbau in der libanesischen Ortschaft Madschel Anjar. Bis zur syrischen Grenze sind es drei Kilometer. „In meine Heimat“, sagt Ahmed, „kann ich erst nach Assads Sturz.“
Regime ist enorm selbstbewusst
Doch das syrische Regime strotzt auch nach den Raketenangriffen der Westmächte vor knapp zwei Wochen vor Selbstbewusstsein. Und nun hat es das „Raumordnungsgesetz“erlassen, welches bei konsequenter Anwendung die „demografische Neuordnung“des Landes ermöglicht.
Im „Gesetz Nummer 10“werden alle syrischen Staatsbürger aufgefordert, ihre Häuser, Wohnungen und Grundstücke innerhalb von 30 Tagen mit einem Grundbuchauszug bei den Behörden persönlich oder durch Verwandte registrieren zu lassen. Nach Ablauf der 30-Tage-Frist sollen nicht registrierte Besitztümer versteigert werden. Als Bieter zulassen will man nur „loyale Bürger“und den syrischen Staat. Dem geht es laut dem syrischen Menschenrechtsanwalt Michel Chammas in Wahrheit nur um eines: „die Enteignung aller Syrer, die dem Regime kritisch oder ablehnend gegenüberstehen.“
Für die meisten der Millionen Syrer, die geflüchtet sind, sei eine Registrierung innerhalb der 30-TageFrist, welche am 2.Mai abläuft, schon aus Zeitgründen unmöglich. Zudem fürchteten fast alle Flüchtlinge, bei ihrer Rückkehr vom Regime verhaftet zu werden. „Wir wissen“, sagt Chammas, „dass auf den Fahndungslisten der Geheimdienste die Namen von 1,5 Millionen Syrern stehen“.
Zu diesen Menschen gehört Mohammed Sebai, der im Mai 2017 wegen „Zwangsevakuierung“in den Libanon gehen musste. Als er vor einer Woche einen Verwandten beauftragte, seine Wohnung in seiner Heimatstadt Homs registrieren zu lassen, ließen ihn die Behörden wissen, dass er „als gesuchter Terrorist“bereits enteignet worden sei und alle staatsbürgerlichen Rechte verloren hätte. Millionen von Syrern müssen wohl mit ähnlichen Bescheiden rechnen.
„Was das Regime gegenwärtig tut, ist nichts anderes, als das Land ethnisch zu säubern“, stellt Michel Chammas, der Menschenrechtsanwalt, entrüstet fest. Aus Damaskus, Homs und Aleppo würden regimekritische Sunniten verbannt. Der Widerstand soll so gebrochen, Rebellionen in den bevölkerungsreichsten Städten in Syrien sollten ein für alle Mal verhindert werden.