Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Mit Würde runter
SC Freiburg besiegelt mit 3:2 in der Nachspielzeit Kölns Abstieg und verschafft sich Luft
FREIBURG - Am Trainingsplatz hinter der Haupttribüne des Schwarzwaldstadions hing bereits vor dem Spiel ein Transparent. Es war nach acht sieglosen Partien in Serie als Aufmunterung für die Spieler des Sport-Clubs gedacht: „Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist“, stand da zu lesen. Der simple Spruch bewahrheitete sich im dramatischen Spiel gegen den 1. FC Köln auf spektakuläre Weise. Nach einer 2:0-Führung fing sich Freiburg zwei Tore zum 2:2. Nach 90 Minuten war es eigentlich vorbei mit der Hoffnung auf die Wende im Abstiegskampf, doch in der Nachspielzeit verwandelte der eingewechselte Lucas Höler mit seinem ersten Bundesligator zum 3:2 (90.+3) das Stadion in ein Tollhaus. Und die Kölner wurden trotz des feststehenden Abstiegs von ihren Fans gefeiert.
Kölns Anhänger feiern Absteiger
Kölns Anhänger stimmten nach dem Spiel vor der Mannschaft das Kultlied „En unserem Veedel“von den Bläck Fööss an. „Das Verhalten der Fans ist nicht in Worte zu fassen. Diesmal gehen wir als Einheit in die Zweite Liga“, meinte Torhüter Timo Horn ergriffen. „Die Fans sorgen dafür, dass wir unsere Würde behalten“, sagte Trainer Stefan Ruthenbeck. Es ist ein Abstieg mit der Perspektive auf eine Rückkehr. Leistungsträger wie Horn und Nationalspieler Jonas Hector werden bleiben. Eine Art Wiedergutmachung. „Das letzte Gegentor war das i-Tüpfelchen auf eine Saison, die für uns brutal verlaufen ist. Für die Freiburger ist es überwältigend“, sagte Horn.
SC-Spieler Nicolas Höfler, der gebürtige Überlinger, hatte einen Freistoß von der Nähe des Mittelkreises an die Grundlinie geschlagen, der eingewechselte Robin Koch den Ball per Kopf zu Höler verlängert, der in seinem 13. Bundesligaeinsatz aus kurzer Distanz zum 3:2 einschoss. „Lucas hat das wichtigste Tor der Saison geschossen“, meinte Nils Petersen über den in der Winterpause vom SV Sandhausen gekommenen Stürmerkollegen. Vor den Augen von Die Kölner Fans beklatschten die gerade abgestiegenen Spieler.
Bundestrainer Joachim Löw hatte Doppeltorschütze Petersen die Freiburger Lebensgeister geweckt. Per Kopfball erzielte er nach Flanke des stark spielenden Mike Frantz das 1:0 (14.). Danach wurde Petersen im Strafraum von Marco Höger gefoult, doch den schwach geschossenen Elfmeter von Christian Günter parierte Horn (23.). Beim 2:0 (53.) umkurvte Petersen am kurzen Pfosten Horn und schob ein. 15 der 29 Freiburger Saisontore hat Petersen erzielt. Als er nach gut 70 Minuten, von Krämpfen geplagt, den Platz verlassen musste, begann das Zittern um den Sieg. Nach dem Doppelschlag von
Leonardo Bittencourt (82., 87.) hieß es 2:2. „Fußball kann einen wirklich fertigmachen“, meinte SC-Kapitän Julian Schuster über die nervenaufreibenden Schlussminuten. „Wenn die Enttäuschung da ist, trotzdem den Kopf wieder hochzunehmen – das spricht für den Charakter jedes einzelnen Spielers“, lobte Schuster die Mannschaft.
„Wenn das Spiel 2:2 ausgeht, wären wir wahnsinnig deprimiert gewesen“, strich Freiburgs Trainer Christian Streich die Bedeutung des badischen Befreiungsschlags mit dem 3:2 heraus. „Die Mannschaft hat an sich geglaubt. Sie hat immer probiert, Fußball zu spielen und konstruktive Lösungen zu finden. Am Ende hatten wir das Glück auf unserer Seite, aber es war dennoch kein glücklicher Sieg. Wir waren die bessere Mannschaft und haben den Sieg verdient.“Streich mahnte aber zugleich mit seinen Erinnerungen ans Jahr 2015: „Damals haben wir kurz vor Schluss Bayern München besiegt. Eine Woche später verloren wir knapp in Hannover und mussten absteigen.“
Dieses Schicksal traf nun am drittletzten Spieltag die Kölner. „Das Spiel steht sinnbildlich für die komplette Saison. Wer solche Spiele verliert, steigt eben ab“, haderte Ruthenbeck, der frühere Aalener. Den Freiburgern machte er für das letzte Saisonspiel der Kölner in Wolfsburg ein Versprechen: „Wenn ihr am letzten Spieltag noch Hilfe braucht – wir werden alles tun.“Streich vernahm es dankend, denn er rechnet nach dem Spiel in Mönchengladbach mit einem dramatischen Saisonfinale im Schwarzwaldstadion und Zittern bis zum Schluss: „Es wird so bleiben bis zur letzten Sekunde gegen Augsburg“, sagte Streich. Der Mann weiß eben, frei nach Rocky Balboa: Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist.