Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Gewerkschafter fordern am Tag der Arbeit mehr Rechte
Umbrüche in der Arbeitswelt brauchen neben Mitbestimmungsrechten für Beschäftigte ein starkes Tarifsystem
NÜRNBERG/BERLIN (dpa) - Die Gewerkschaften halten angesichts der Umwälzungen in der Arbeitswelt eine Stärkung von Arbeitnehmerrechten für überfällig – und sehen dabei vor allem die Bundesregierung in der Pflicht. Notwendig seien dazu mehr Mitbestimmung und Tarifverträge für alle Beschäftigten, betonten führende Gewerkschaftsvertreter auf zahlreichen Kundgebungen zum Tag der Arbeit. Nur so lasse sich etwa die Digitalisierung meistern, die in Büros und Fabrikhallen den Berufsalltag von Millionen Beschäftigten verändern werde, betonten Redner.
An den rund 500 Veranstaltungen zum Maifeiertag nahmen nach DGBAngaben bundesweit rund 340 000 Menschen teil – etwa 20 000 weniger als vor einem Jahr, als die Bundestagswahl bevorstand. Inhaltlich geprägt waren die Kundgebungen von der wachsenden Digitalisierung in vielen Betrieben und der schwindenden Bedeutung von Tarifverträgen.
Nach Einschätzung des DGBBundesvorsitzenden Reiner Hoffmann wird die Digitalisierung „die Arbeitswelt rasant verändern“. Trotzdem ließen sich die Gewerkschaften davon aber nicht verunsichern. „Wir haben vor 100 Jahren schon den Industriekapitalismus zivilisiert. Heute nennen wir das soziale Marktwirtschaft“, sagte der DGBChef. Es gehe jetzt darum, die Digitalisierung zu gestalten. Das gehe nur mit starken Belegschaften und Tarifverträgen, sagte Hoffmann bei der DGB-Hauptkundgebung in Nürnberg.
Beim Thema Tarifverträge nahm Hoffmann die neue Bundesregierung in die Pflicht. Nur mit Tarifverträgen lasse sich verhindern, dass einzelne nicht-tarifgebundene Unternehmen „mit Dumpinglöhnen Schmutzkonkurrenz betreiben“. Den Absichtserklärungen im Koalitionsvertrag müssten Taten folgen.
IG Metall-Chef Jörg Hofmann bezeichnete auf der DGB-Kundgebung in Kassel ebenfalls Mitbestimmungsrechte und ein starkes Tarifsystem als „die wichtigsten Hebel dafür, dass keiner unter die Räder kommt und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt wird“. Deshalb müsse auch die Politik für eine stärkere Tarifbindung sorgen. „Macht das Tarifsystem stark. Dann bleibt auch das Land stark“, sagte Hofmann laut Mitteilung.
Verdi-Chef Frank Bsirske forderte zum Tag der Arbeit die Politik auf, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. „Wir brauchen mehr staatliche Investitionen in die Daseinsvorsorge, in bezahlbaren Wohnraum, in Bildung und Erziehung, in die Alterssicherung“, sagte Bsirske in Braunschweig. „Investitionen in die gesellschaftliche Infrastruktur sind auch Gerechtigkeitspolitik“, betonte er.