Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Reformbedürftig, aber wichtig
Den Literaturnobelpreis in diesem Jahr nach Vorwürfen um sexuelle Belästigung, Machtmissbrauch und Korruption auszusetzen, war alternativlos. Mag der Anlass erschreckend sein, bietet die Pause eine Gelegenheit zur Neuordnung – auf allen Ebenen.
Kritik gab es schon immer, besonders an den Preisträgern, ob an Winston Churchill (Politiker) oder Dario Fo (Komiker), aber auch an Entscheidungen wie für Elfriede Jelinek oder Harold Pinter. Mindestens genauso lang ist die Liste jener, die leer ausgingen, obwohl sie den wichtigsten Literaturpreis verdient hätten (Rilke, Kafka, Joyce etc.). Vor allem aber mit der Entscheidung für den US-Musiker Bob Dylan vor zwei Jahren schien die schwedische Akademie das Maß endgültig überschritten zu haben.
Mag es Fürsprecher gegeben haben, fragten schon damals Kritiker, wie eine solche Entscheidung überhaupt zustande kommen konnte. Und ob es wirklich Sinn hat, dass die Mitglieder der Akademie, deren Außendarstellung bisweilen abgehoben und überheblich wirkt, auf Lebenszeit gewählt werden. Genau diese Fragen werden jetzt wieder gestellt. Und es braucht Antworten – hinsichtlich Transparenz, Zusammensetzung, Wahlkriterien und Bodenhaftung. Mit Lösungen auf dieser Grundlage ließe sich über künftige Preisträger wieder fruchtbar streiten, was es in einem politisch und gesellschaftlich zunehmend schwierigen Umfeld sowieso braucht.
Kaum verwunderlich jedoch, dass jetzt auch Stimmen laut werden, die solche Preise komplett infrage stellen. Der Literaturnobelpreis ist aber kein Preis wie der Echo. Er verhöhnt nicht die Auschwitz-Opfer und er folgt auch nicht rein kommerziellen Kriterien. Im Gegenteil. Mögen sich Kulturpreise oft zu ernst nehmen, mögen sich die Dankesreden der Auserwählten mancherorts in übertriebenem Pathos auflösen. Diese Auszeichnungen sind dennoch wichtig und auch nötig in einer Daseinsordnung, die zuvorderst von Gewinnund Effizienzstreben bestimmt ist. Weil diese Preise dazu ein wertvolles Gegengewicht setzen, indem sie die Kultur feiern.