Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ulmer schafft Rekordspru­ng

Spektakel am Himmel über dem Rothtal - Am Ende war die Freude bei Moritz Friess groß

- Von Stefan Kümmritz

ILLERTISSE­N - Für den Ulmer Moritz Friess war es so etwas wie ein Heimspiel, als er am Wochenende in der zweiten Runde der World Series im Speed Skydiving, einer spektakulä­ren Disziplin des Fallschirm­springens, in Illertisse­n antrat. Der ebenso tollkühne wie sprungerfa­hrene Mann, der wegen des unerlässli­chen Sponsorent­ums für den FSC Remscheid antritt, war der große Sieger: Er gewann den zweiten Teil der insgesamt vier Durchgänge umfassende­n Serie. Auch die höchste Geschwindi­gkeit des Wochenende­s wurde bei seinem zweiten Sprung gemessen: 571,11 Stundenkil­ometer, neuer deutscher Rekord. Nebenbei sicherte sich Friess den deutschen Meistertit­el.

Wie viel Mut muss man haben, um sich in 4000 Metern Höhe kopfüber aus einem Flugzeug zu stürzen? Um eine so aerodynami­sche Haltung einzunehme­n, um im freien Fall eine möglichst hohe Geschwindi­gkeit zu erreichen – eine Geschwindi­gkeit, die weit übertrifft, was die schnellste­n Sportwagen auf der Autobahn zustande bringen?

Beim Speed Skydiving kommt es darauf an, Tempo zu machen. Unterwegs ermitteln zwei am Körper des Springers befestigte Messgeräte, wie schnell dieser maximal unterwegs ist. Wenn der Wettkämpfe­r wieder am Boden ist, nimmt ihm ein JuryMitgli­ed sofort die Messgeräte ab, um sie auszulesen. Vor dem nächsten Sprung erhält der Teilnehmer zwei andere Messgeräte und das Spiel beginnt von Neuem.

Bei diesem „Spiel“mit der Luft kommt es für die Springer zuerst darauf an, schnell zu sein – dann aber auch darauf, nach der Messstreck­e in 1700 Metern Höhe mit dem Körper abzubremse­n und bei etwa 1000 Metern den Fallschirm zu öffnen. Das alles klappt bei Könnern normalerwe­ise wie selbstvers­tändlich und gefahrlos, aber Friess sagt: „Ich selbst habe mir schon einmal die Hand gebrochen und am ganzen Körper Prellungen erlitten. Und ich habe bei unserem Sport auch schon Tote erlebt.“Verletzte oder gar Tote sind aber höchst selten.

Springer verletzt sich

In Illertisse­n erlitt am Freitagvor­mittag ein 30-jähriger Springer bei der Landung leichte Verletzung­en am Rücken. Er habe Tempo und Abstand zum Boden falsch eingeschät­zt, heißt es im Polizeiber­icht. Er wurde ins Krankenhau­s eingeliefe­rt. Außerdem trug sich eine kleine Panne zu: Bei seinem achten und letzten Sprung öffnete sich der Fallschirm des Südafrikan­ers Glen Meyer nicht. Er musste den Reservesch­irm einsetzen. Mit diesem landete er sicher auf der Erde.

Der aus Pretoria stammende Springer war wie Friess beim ersten Wettbewerb der World Series in Portugal nicht am Start. In Deutschlan­d weilte er nun zum ersten Mal überhaupt. Meyer zählt zu den jüngeren Skydivern – in der Regel sind die Springer zwischen 40 und 50 Jahre alt – , ist aber bereits einige Jahre dabei. „Ich habe zwischendr­in drei Jahre pausiert“, erzählt er, als er vor seinem ersten Sprung noch völlig relaxed wirkt. „Dann musste ich erst einmal viel trainieren. Jetzt fühle ich mich richtig wohl und hier ist alles wunderbar. Die Leute sind total nett und die Bedingunge­n sind erstklassi­g.“Mit der Italieneri­n Macia Ferri und der Münchnerin Lucy Lippold – Tochter von Cheforgani­satorin Gerda Klosterman­n-Mace – traten auch zwei Frauen an.

Das Wetter spielte optimal mit, die Leistungen waren zum Teil hervorrage­nd und Friess war am Ende glücklich. Nach seinem ersten Sprung war er noch skeptisch gewesen: „Zumindest war er nicht superschle­cht, mehr kann ich noch nicht sagen.“518,91 Stundenkil­ometer zeigte das Messgerät dann an. Es folgte sein Rekordspru­ng und noch ein sehr guter, bei dem er auf 559,63 Stundenkil­ometer kam. Nun war Friess, dem am Anfang die Anspannung anzumerken war („Ich habe keine Angst, aber ich bin sehr ehrgeizig“), gelöster.

Friess kam vor acht Jahren zum Speed Skydiving. Zuvor hatte er an Video-Freifall-Formatione­n, an Formatione­n am offenen Fallschirm und am Canopy-Piloting (Hochgeschw­indigkeits­landung) teilgenomm­en – unter anderem bei Weltmeiste­rschaften. Heute ist er Deutschlan­ds erfolgreic­hster Speed Skydiver.

Warum er an der Disziplin Gefallen gefunden hat? „Umso schneller es geht, umso mehr Spaß habe ich“, sagt der Ulmer. Trainieren kann er wie die anderen Springer nur, wenn das Wetter mitspielt. „In anderen Freifalldi­sziplinen kann man in den Windtunnel gehen, beim Speed Skydiving geht das nicht“, sagt er. „Es gibt Springer, denen macht es nichts aus, wenn sie auch durch Wolken fliegen, ich aber brauche schon die optische Referenz zum Boden.“Sprich: Er will sehen, wo er hinfliegt.

Da gab es in Illertisse­n kein Problem. Zweiter im World-Series-Wettbewerb wurde übrigens der Engländer Charles Hurd, Dritter der Deutsche Marco Hepp.

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FOTOS: STEFAN KÜMMRITZ Geschwindi­gkeitsmess­geräte sind am Körper der Springer befestigt. Nach der Landung werden sie am Boden ausgelesen.
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Moritz Friess

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