Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Kein Mensch ist ohne Macken
Experten raten: Partner sollten sich so akzeptieren, wie sie nun mal sind
Das Leben könnte so einfach sein. Wenn doch nur der Partner nicht so unordentlich wäre, pünktlich zu Verabredungen käme und nicht immer vergessen würde, seine Taschentücher aus den Hosen zu holen, bevor diese im Wäschekorb landen. Fast jeder kennt solche oder ähnliche Situationen. Aus der eigenen Perspektive erscheint es gar nicht so schwer, solche Verhaltensweisen zu ändern. Der Partner sieht dies allerdings anders.
Zwar können Menschen einzelne Verhaltensweisen natürlich ändern, aber der Charakter bleibt. Experten raten daher: Man sollte seinen Liebsten so akzeptieren, wie er nun mal ist. Allerdings gibt es Grenzen: „Die Macken sind das Salz in der Suppe. Zu viel versalzt die Suppe, ohne Salz schmeckt die Suppe fade. Es braucht einfach das richtige Maß“, sagt der Psychologe Manfred Ohl aus Reinheim.
Mit der Art des anderen klarzukommen, bringt beiden letztlich viele Vorteile – mal ganz davon abgesehen, dass niemand das Recht hat, einen erwachsenen Menschen zu erziehen. „Eine Partnerschaft ist nicht dafür da, dass sich der andere ändert“, sagt Hans Onno Röttgers, leitender Psychologe der Uniklinik Marburg.
Kommunikation ist alles
Meistens läuft es so: In der ersten Verliebtheit nimmt der Partner die Macken des anderen entweder nicht wahr, oder sie stören ihn nicht. Im Laufe der Zeit wird der Blick kritischer. Viele neigen dann dazu, nur noch auf das eine Prozent zu schauen, das sie stört. „Und nicht mehr auf die 99 Prozent, die wir am anderen mögen“, erklärt die Psychologin Julia Scharnhorst aus Wedel.
Dabei sollte man sich die liebenswerten Seiten des Partners immer wieder bewusstmachen und ihm diese auch mitteilen. Doch meist reden Partner miteinander viel zu wenig – beziehungsweise oft unterhalten sie sich nur über alltägliche Dinge: Ist das Auto vollgetankt? Wer holt die Kinder ab? Fahren wir am Wochenende zu den Großeltern?
Ein wirklicher Gedankenaustausch findet in langjährigen Beziehungen hingegen oft nicht mehr statt. „Manche Menschen können das auch gar nicht, weil sie es nie gelernt haben“, berichtet Röttgers aus den Erfahrungen seiner Praxis.
Manche haben auch Angst, der andere könnte womöglich schlecht über sie denken, und sagen dann nur Dinge, die der Partner wahrscheinlich gut findet. Dabei ist es ein Zeichen von Reife und Selbstreflexion, wenn Partner unabhängig von der Meinung des anderen Themen ansprechen. Dann kann es auch um bestimmte Aspekte der Partnerschaft gehen: Wie empfindet man die Beziehung? Wie hat der Partner sich nach einem Streit gefühlt? Oder eben: Welches Verhalten passt einem nicht?
So ein Gespräch sollten Partner aber auf keinen Fall nach einem unangenehmen Erlebnis oder mit Wut führen. Gefragt ist eine entspannte Atmosphäre. Dabei sollte es einem nicht darum gehen, die eigene Meinung durchzusetzen. Vielmehr sollte ein Kompromiss gefunden werden, erklärt Scharnhorst. Also dem anderen nicht eine vorab ausgedachte Lösung präsentieren. Denn dann fühlt sich der Partner sehr wohl zu Recht gegängelt.
Besser ist es: An sich selbst zu arbeiten und nach einfachen Lösungen zu suchen. So macht man sich vom Verhalten des Partners unabhängiger und ist dadurch entspannter. Wer zum Beispiel immer wieder auf den unpünktlichen Partner warten muss, kann bei einem Termin schon alleine losfahren. Das darf aber bei dem anderen nicht als Strafe ankommen. Man sollte erklären, dass man vorfährt, weil es einem sehr unangenehm ist, zu spät zu einer Verabredung zu kommen.
Unterschiede beleben Beziehung
Zudem sollte man sich überlegen, warum einem bestimmte Verhaltensweisen des Partners wichtig sind. Viele unserer Vorstellungen von einem scheinbar richtigen Benehmen stammen aus unserer Kindheit. Vielleicht ist einem Unpünktlichkeit zuwider, weil früher die Mutter immer auf sich warten ließ? Es kann durchaus entspannen, den Gründen seiner Wertvorstellungen nachzugehen.
Manche Charakterzüge sind nun einmal nicht zu ändern. Ein Chaot wird nie ein Pedant, ein ruhiger Mensch nie eine Stimmungskanone. „Schnell wird übersehen, dass ein Team ja auch von der Unterschiedlichkeit lebt“, sagt Röttgers.
Toleranz und Kompromissfähigkeit sind gut, aber natürlich gibt es Grenzen. Diese muss jeder für sich herausfinden. Für den Psychologen Ohl liegt diese da, wo der andere die eigene Entfaltung einschränkt. Wenn jemand für den Partner etwa seinen Lebensentwurf aufgeben müsste – und damit vielleicht den Traum vom Eigenheim und einer eigenen Familie.
Grenzen sind auch erreicht, wenn der Partner etwas tut, was den eigenen Wertvorstellungen völlig zuwider läuft. Extreme Beispiele: Er wird Mitglied bei einer radikalen Partei oder schlägt die Kinder. „Je deutlicher Unterschiede zutage treten und je mehr eine Verhaltensänderung in die vom Partner erwünschte Richtung die eigene Persönlichkeit einschränkt, umso schwerer lässt sich die Beziehung leben“, erklärt Ohl. Liegen die Positionen der Partner zu weit auseinander, funktioniert es manchmal eben nicht.