Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Plötzlich schaut man wieder auf die SPD
„Andere streiten, wir arbeiten“war ihr Motto – Doch jetzt muss die Partei Stellung beziehen
BERLIN - Wochenlang waren CDU und CSU in aller Munde, jetzt richten sich plötzlich die Augen auf den Koalitionspartner. Der Ball liegt im Feld der SPD. Wird sie dem Asylkompromiss zustimmen? Erst mal schauen, heißt bei den Sozialdemokraten die Devise. Offener Widerstand kam nur von einem: von Kevin Kühnert, dem Juso-Vorsitzenden. Er erinnert daran, dass seine Partei sich schon 2015 gegen geschlossene Einrichtungen für Asylbewerber ausgesprochen hatte. „Die SPD hat geschlossenen Lagern eine deutliche Absage erteilt“, sagte Juso-Chef Kevin Kühnert der Deutschen PresseAgentur. „Egal ob in Nordafrika, an der europäischen Außengrenze oder in Passau.“
Özoguz sieht Provokation
Andere waren sehr viel vorsichtiger. Karl Lauterbach, der sonst als sehr angriffslustig bekannte SPD-Politiker, meinte, man werde auf jeden Fall genau prüfen, aber bei den Transitzentren, die die SPD 2015 abgelehnt habe, sei es doch um einen ganz anderen Zusammenhang gegangen. Jetzt gehe es nicht um Flüchtlinge allgemein, auch nicht um Tausende Menschen, sondern nur um bereits in anderen EU-Staaten registrierte Flüchtlinge – und um gerade einmal drei Grenzübergänge von Österreich nach Bayern. Man müsse die Zentren prüfen. Klar sei, dass die SPD gegen geschlossene Zentren ist, die gefängnisartig geführt werden. Aydan Özuguz, die Integrationsbeauftragte der SPD, sieht deshalb schon im Begriff Transitzentrum eine Provokation für ihre Partei.
SPD-Chefin Andrea Nahles meinte, es gebe „noch ungedeckte Schecks in dieser Verabredung“. Vor allem brauche es ein Abkommen mit Österreich und auch Italien, damit der dritte Punkt der Unionsverabredung erfüllt werde, erläuterte Nahles.
Was geplant ist
Im Prinzip wurde von Merkel und Seehofer vereinbart, dass man in anderen EU-Ländern bereits registrierte Asylbewerber nicht an der Grenze zurückschiebt, sondern sie in ein Transitlager schickt, sodass der Vorgang als Nichteinreise nach Deutschland gewertet wird. Von diesem Transitlager aus sollen die Betroffenen direkt in die zuständigen Staaten zurückgeschoben werden – und, wenn das nicht möglich ist, nach Österreich, also in das Nachbarland, aus dem sie eingereist sind. Österreich hat bereits angemeldet, ebenfalls Konsequenzen aus dem deutschen Vorgehen zu ziehen, notfalls, indem man die Grenzen zum Süden schütze. Aber erst müsse man genau wissen, was Deutschland plane. Das will auch die SPD. So froh man ist, dass man in den letzten Wochen nichts mit dem von der CSU verursachten Regierungschaos zu tun hatte, so wenig will man den Eindruck erwecken, man sei abgetaucht. „Jetzt gibt es eine Einigung der Unionsparteien. Das ist keine Einigung der Bundesregierung“, daran erinnert Leni Breymaier, die baden-württembergische SPD-Chefin. Schließlich sei die CSU ja nur der kleinste Partner in der Koalition. Eine Bewertung will sie aber noch nicht abgeben. „Wir nehmen uns jetzt die notwendige Zeit um zu verstehen und zu bewerten, was eigentlich heute Nacht verabredet wurde. Im Smoothie von Reizworten sehe ich erst einmal keine Lösung“, so Breymaier.
Die SPD trifft sich jetzt am Mittwochmorgen zu einer Sondersitzung der Fraktion im Reichstag, um über den Asylkompromiss zu beraten. Nach dem Jamaika-Aus hatte die SPD lange mit sich gerungen, ob sie in die Große Koalition geht. Diesen quälenden Selbstfindungsprozess haben viele noch im Hinterkopf.
Bei allem Ärger, dass man von der Union in den Kompromiss nicht eingebunden wurde, weist man deshalb in der SPD aber auch gerne darauf hin, dass man jetzt der stabile Anker in der Regierung sei. „Wir machen das, was wir die letzten drei Wochen getan haben: Wir arbeiten. Diese Woche ist der Bundeshaushalt dran“, fasst Leni Breymaier zusammen.