Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Causa Özil: Es wird einsam um Grindel und Bierhoff
Lahm kritisiert DFB, Cem Özdemir möchte neue Gesichter, sogar Bundestagspräsident Schäuble äußert sich
BERLIN (dpa/SID) - Die Kritik an DFB-Präsident Reinhard Grindel und Teammanager Oliver Bierhoff wird lauter – und schärfer. Der schwäbische Grünen-Politiker Cem Özdemir warf dem DFB im Umgang mit Nationalspieler Mesut Özil „verbandsinterne Feigheit“vor und brachte einen Rücktritt der beiden ins Spiel. „Statt sich jetzt entschlossen gegen die leider auch eindeutig rassistisch grundierte Kritik zu stemmen, hauen die Protagonisten Grindel und Bierhoff noch tiefer in die Kerbe der Özil-Kritik“, so Özdemir in der „Zeit“.
Bereits am Dienstag hatte Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Grindel sowie Bierhoff zum Rücktritt aufgerufen.
Seit Mitte Mai, als sich Özil und sein Mitspieler Ilkay Gündogan mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan fotografieren ließen, läuft die Debatte darum. Neben die sportliche Krise der Nationalmannschaft ist eine gesellschaftliche getreten. Während vor der WM vor allem noch die Identifizierung von Nationalspielern mit Migrationshintergrund mit Deutschland diskutiert wurde, richtet sich der Blick mittlerweile auf die Frage, ob der DFB gerade dabei ist, seine Integrationskraft zu verspielen.
Nach dem WM-Aus hatten Bierhoff und Grindel in der vergangenen Woche in Interviews Distanz zu Özil erkennen lassen, Grindel hatte die Zukunft des Mittelfeldspielers in der Nationalmannschaft indirekt von einer Erklärung des bislang beharrlich schweigenden Özil zu den PR-Fotos abhängig gemacht. Vor der WM hatte Grindel dies nicht für nötig erachtet.
„Verband irrlichtert herum“
„Dieser Verband irrlichtert in der Causa Özil von Anfang an“, schrieb Özdemir nun in seinem Gastbeitrag für die „Zeit“: „Über Wochen wird Özil schon zu einem Sündenbock gemacht. Gegen diese Anwürfe muss man ihn genauso verteidigen wie gegen Angriffe von rechts.“
Özdemir, der die PR-Fotos der beiden türkischstämmigen Nationalspieler als „schwerwiegender Missgriff “bezeichnete und die Aktion bereits vor der WM verurteilt hatte, schrieb weiter: „Dieses unmögliche Agieren“der Spieler entschuldige in keiner Weise das Verhalten des DFB. Seit Wochen werde Özil zum Sündenbock gemacht, jeder einzelne DFB-Funktionär kämpfe dabei „ums eigene Überleben“.
Özdemir brachte einen Rücktritt von Grindel und Bierhoff ins Gespräch: „Wir brauchen dringend einen sportpolitischen Neustart beim DFB, gerne mit neuen Gesichtern, aber hoffentlich mit Özil“, schrieb er. Derzeit drohe der Verband Gefahr, „die Philosophie der Nationalmannschaft zu verspielen.“
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) wunderte sich im Interview der „Zeit“derweil vor allem über die Kommunikation: „Irgendjemand beim DFB, in dem lauter kluge und hoch bezahlte Leute sind, hätte dafür sorgen müssen, dass das nicht so eskaliert.“
Auch innerhalb des DFB sind Grindel und Bierhoff nicht mehr unumstritten. Ehrenspielführer Philipp Lahm, der dem DFB nicht zuletzt als Botschafter der Bewerbung um die EM 2024 nahesteht, äußerte sich kritisch. Er mahnte, ebenfalls in der „Zeit“die Vermittlung klarer Regeln in der Nationalmannschaft an. „Fußball hat bei uns eine große Bedeutung über das Spiel hinaus. Ich muss als Spieler wissen, wie ich mich innerhalb der deutschen Nationalmannschaft zu bewegen habe.“Auf die Nachfrage, ob es versäumt worden sei, das zu vermitteln, sagte der 34-Jährige: „Man hätte es sicher besser machen können.“
Lahm ließ durchblicken, dass ihm Bierhoffs Äußerungen zu Özil missfielen. „Jetzt ist die Zeit zu analysieren: die Leistungen auf dem Platz, den Umgang mit dieser Affäre. Und danach muss man mit seiner Haltung an die Öffentlichkeit gehen. Das wäre die richtige Aufarbeitung“, sagte er und nahm Özil in Schutz. Dieser habe sich „innerhalb der Mannschaft immer tadellos verhalten“.
Trainerlegende Ottmar Hitzfeld sagte dem Sportbuzzer, der DFB hätte Özil und auch Ilkay Gündogan schützen müssen, indem er bei der WM in Russland auf sie verzichtet hätte. Das Duo habe beim Turnier „unter gewaltigem Druck“gestanden: „Das war sicher nicht förderlich.“