Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Erdogan verschärft Ton gegenüber USA
ISTANBUL (AFP) - Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die USA vor einem endgültigen Bruch zwischen den beiden NatoPartnern gewarnt. Wenn Washington sich nicht respektvoller verhalte, müsse Ankara sich „neue Freunde und Verbündete suchen“, warnte Erdogan in der „New York Times“. Bei Auftritten in der Türkei sprach er am Sonntag erneut von einem „Wirtschaftskrieg“. Dollar, Euro und Gold seien hierbei die „Gewehrkugeln, Kanonen und Raketen“.
Wer sich in der Türkei in diesen Tagen besonders patriotisch geben will, der trennt sich publikumswirksam vom Dollar. In Sanliurfa an der syrischen Grenze setzte ein Geschäftsmann vor laufenden Kameras hundert EinDollar-Banknoten mit einem Feuerzeug in Brand. Er wolle Präsident Recep Tayyip Erdogan unterstützen, sagte er. Erdogan wirft der US-Regierung unter Donald Trump vor, einen „Wirtschaftskrieg“gegen die Türkei zu führen, und droht mit einem Ende des traditionellen Bündnisses zwischen Ankara und Washington. Die Achsenverschiebung stärkt die Rolle Europas: Erdogans im September anstehender Besuch in Berlin erhält somit eine neue Bedeutung.
Der Absturz der Türkischen Lira, der sich zuletzt dramatisch beschleunigt hat, wird von Ankara als Angriff des Auslands auf die Türken gedeutet. Im Streit um die Inhaftierung des US-Geistlichen Andrew Brunson hatte Trump am Freitag hohe Strafzölle gegen die Türkei verhängt. Erdogan reagierte mit harscher Kritik. So kann er die Wut vieler Türken über die miese wirtschaftliche Lage von sich selbst ablenken.
Dabei hat der Präsident mit seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik selbst dazu beigetragen, dass die Türkei in der Krise steckt und dass die Lira seit Jahresbeginn gut 40 Prozent verloren hat. Nun sprach er sich erneut gegen eine Erhöhung der Leitzinsen aus, obwohl Investoren dies zur Inflationsbekämpfung fordern. Für den Präsidenten sind solche Warnungen kein Grund für eine Korrektur. Er ruft die Türken auf, DollarGuthaben in Lira umzutauschen und ansonsten Gott zu vertrauen.
Auch politisch bleibt er auf Konfrontationskurs. Statt einer Lösung deutet sich neuer Krach an. Die Türkei will bei Trumps neuen Sanktionen gegen Iran nicht mitmachen. In der „New York Times“drohte Erdogan, die Türkei werde sich nach neuen Freunden umschauen.
Rückbesinnung auf die EU
Schon seit Jahren liebäugelt Erdogan immer wieder mit engeren Beziehungen zu Russland und China. Doch dies wäre keine strategische Alternative. Mit Russland arbeitet er in Syrien zwar eng zusammen, doch verfolgen beide Länder in anderen Regionen wie dem Kaukasus oder dem Balkan völlig unterschiedliche Ziele. Auch das Verhältnis zu China ist nicht problemfrei: Erdogan bezeichnete den Umgang Pekings mit der muslimischen Minderheit der Uiguren einmal als „Völkermord“. Realistischer für die Türkei ist somit tatsächlich die erneute Ausrichtung auf die EU. Indes wird es keine Rückkehr zum engen Verhältnis zwischen Brüssel und Ankara geben, das auf dem Höhepunkt des türkischen EUStrebens im vorigen Jahrzehnt herrschte. Die Türkei sei kein Land mehr, das sich vom Ausland alles vorschreiben lasse, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu unlängst.
Experten wie der Politologe Simon Waldman vom Istanbul Policy Center, sehen in der Krise zwischen Ankara und Washington Anzeichen einer Selbstüberschätzung: Erdogan und sein Anhang betrachteten die Türkei als „neue aufstrebende Macht, die die alten Mächte herausfordert“. Dass der Türkei die politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen fehlen, um als unabhängige Großmacht zwischen Ost und West aufzutreten, werde übersehen.