Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Machtpoker in der Wüste
Innsbrucker Festwochen Alter Musik mit Mercadantes „Didone abbandonata“eröffnet
INNSBRUCK - Prominent ging es zu beim Auftakt der diesjährigen Innsbrucker Festwochen Alter Musik. Nach der Eröffnung durch den österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen plädierte der international renommierte Regisseur Jürgen Flimm in seiner flammenden Festrede für Solidarität, Neugierde und Offenheit. Stillstand sei ein fataler Irrtum, bemerkte er im Blick auf das Festival-Motto „Bewegte Welten“. Erstmals hat Flimm nun bei den Innsbrucker Festwochen auch eine Oper inszeniert. „Die verlassene Dido“von Saverio Mercadante wurde im Tiroler Landestheater begeistert gefeiert.
Mit der vom Intendanten Alessandro De Marchi dirigierten Produktion stießen die seit 42 Jahren in der Alpenmetropole stattfindenden Festwochen musikalisch in Neuland vor. Mercadantes „Didone abbandonata“ist 1822 entstanden. Damals kam die mehr als 200-jährige Geschichte der italienischen BelcantoOper, die von den Anfängen der Gattung um 1600 bis zu Rossinis Meisterwerken reicht, an einen Endpunkt. Mit der Wiederentdeckung einer frühen Mercadante-Oper ist das Innsbrucker Festival im 19. Jahrhundert angekommen.
Für De Marchi war es nur konsequent, diesen letzten Schritt im Kontext historischer Aufführungspraxis zu gehen. Mercadantes noch stark von Rossini beeinflusste „Didone“öffnet aber ansatzweise bereits ein Tor zur Frühromantik seiner jüngeren Zeitgenossen Donizetti und Bellini. Wie sie war auch Mercadante (1795 bis 1870) zunächst von der bedeutenden neapolitanischen Schule geprägt. Seine reifen Reformopern haben später sogar Verdi den Weg bereitet. Schon seine „Didone“fordert ein größeres Orchester, als man es bei sonstigen Innsbrucker Festwochen-Opern gewohnt ist.
Im Gegensatz zu dieser zukunftsweisenden Komponente steht das Libretto. Es variiert den bekannten Stoff aus Vergils „Aeneis“, der von Purcell bis Berlioz unzählige Male veropert wurde. Mercadante ließ sich für seine Vertonung eine fast 100 Jahre alte Dichtung von Metastasio „updaten“. Flimm hat die Geschichte der karthagischen Königin Dido, die von Äeneas verlassen wird, weil der trojanische Held unbedingt zur Gründung des römischen Weltreichs weiterziehen muss, in unsere Zeit verlegt.
Am Ende sind alle Verlierer
Auf der etwas inflationär kreiselnden Drehbühne von Magdalena Gut ist ein Afrikakorps mit Hochzeitsvorbereitungen am Rande der Wüste beschäftigt. Soldaten schaufeln schwitzend zwischen halbfertigen Bunkermauern Sand in einen roten Betonmixer, während Dido hartnäckig ignoriert, dass Aeneas demnächst in See stechen und sie schnöde dem feindlichen Maurenkönig Jarbas überlassen will, obwohl er ständig seine Liebe zu ihr beteuert. Fast die ganze Oper lang schwankt er zwischen Bleiben und Gehen.
Flimm dient die atmosphärische Szenerie als äußerer Rahmen für ein subtiles Machtspiel, in dem sich die Protagonisten gegenseitig belauern und psychisch zerfleischen. Zu spät merkt Dido (Viktorija Miškunaité), dass sie sich verzockt hat. Am Ende sind alle Verlierer. Gesungen wird großartig. Besonders Katrin Wundsam in der Hosenrolle des Aeneas und Carlo Alemanno als szenisch brillanter Jarbas begeistern mit sensationellem Belcanto. De Marchi führt die Academia Montis Regalis souverän durch Mercadantes farbreich-dramatische, feurig-frische Musik.
Das Festivalprogramm bietet noch zwei weitere Opernproduktionen (Cavallis „Apollo e Dafne“und Hasses Serenata „Semele“), einen Vortrag über den berühmten Innsbrucker Geigenbauer Jacob Stainer und zahlreiche Konzerte. 2019 kommt mit Riccardo Broschis „Merope“zur Eröffnung erstmals eine Oper vom Bruder des einstigen Kastratenstars Farinelli auf die Bühne. Außerdem vorgesehen sind Händels „Ottone“und Antonio Cestis „La Dori“.
Bereits im Herbst wird das neue, von Erich Strolz entworfene Haus der Musik Innsbruck eröffnet. Mit zwei Konzertsälen, zwei Theatern, Bibliothek, Restaurant und fast 400 Räumen bietet es dem Tiroler Landestheater, dem Sinfonieorchester Innsbruck, der Universität Mozarteum, dem Institut für Musikwissenschaft, dem Tiroler Landeskonservatorium sowie dem Blasmusikverband, dem Volksmusikverein und dem Sängerbund Tirols auf neun Stockwerken Platz für lebendige Begegnungen.