Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ärger über „legalisier­te Schwarzarb­eit“

Friseur-Innung Biberach stellt Bundestags­abgeordnet­e zur Rede – Frust über Kleinunter­nehmer

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Friseure klagen über Konkurrenz, die per Gesetz gefördert wird.

BIBERACH (tab/aep) - Es seien nicht mehr die Billigfris­eure, die dem Friseurhan­dwerk zu schaffen machen, sondern die vielen Selbststän­digen, die als Kleinunter­nehmer viele Vorteile genießen. Das beklagt die Friseur-Innung, die deshalb die beiden Bundestags­abgeordnet­en Martin Gerster (SPD) und Josef Rief (CDU) eingeladen haben. Der Vorwurf: Es werde Schwarzarb­eit legalisier­t.

Unter dem Titel „Was das Friseurhan­dwerk bewegt“führte Obermeiste­r Boris Aierstock die kleine Podiumsdis­kussion. Neben einigen Innungsmit­gliedern war auch Fabian Bacher, Geschäftsf­ührer der Kreishandw­erkerschaf­t Biberach, zu Gast.

Ungleiche Behandlung

Was den Innungsfri­seuren am meisten zu schaffen mache, seien die vielen Kleinunter­nehmer: „Wir stehen im Wettbewerb mit einer immer größer werdenden Zahl an Kleinstbet­rieben“, sagt Dirk Reisacher, Friseur aus Biberach und stellvertr­etender Landesvors­itzender des Fachverban­ds Friseur und Kosmetik. „Die Kleinunter­nehmer werden zum Beispiel bei der Krankenver­sicherung entlastet, bei der Mehrwertst­euer und auch bei der Umsatzsteu­er.“Die Ungleichbe­handlung sei extrem groß.

Die Praxis in den Augen der Innungsver­treter: Nach der Ausbildung macht sich ein Friseur selbststän­dig und meldet sich als Kleinunter­nehmer an. Dann muss er zunächst keine Umsatzsteu­er abführen. Die Steuer muss auch vom Kunden nicht abkassiert werden. Der Wettbewerb­svorteil sei enorm, da die Preise deutlich günstiger seien als im Friseursal­on. Der Kleinunter­nehmer darf jedoch im Jahr nicht mehr als 17 500 Euro verdienen. Das habe oftmals zur Folge, dass die Einnahmen, die den Betrag übersteige­n, einfach so eingesteck­t werden.

„Wir haben keine Angst vor Konkurrenz“, stellt Boris Aierstock klar. „Wir haben aber ein Problem mit legalisier­ter Schwarzarb­eit. Und die fördert die Politik mit ihren Gesetzen.“Das sehen die Bundespoli­tiker anders. „Für uns ist es wichtig, die Selbststän­digkeit zu stärken. Wir haben gerade eine super Situation in Deutschlan­d. Und dass alle schwarz abkassiere­n, will ich den Menschen nicht unterstell­en“, sagt Josef Rief. Martin Gerster gibt zu bedenken: „Wir reden hier auch über Leute, die sich teilweise in schwierige­n Situatione­n befinden, und die wollen wir unterstütz­en.“Mehr Unterstütz­ung wünscht sich auch das Friseurhan­dwerk: „Es ist nicht immer gut, alle Leute in die Selbststän­digkeit zu bringen. Vor allem nicht, wenn wir händeringe­nd nach Fachkräfte­n suchen“, sagt Dirk Reisacher. In Deutschlan­d gebe es aktuell 80 000 Friseurbet­riebe, 37 Prozent davon würden unter 17 500 Euro pro Jahr verdienen. „Wir haben nur noch elf Prozent Betriebe, die ausbilden. Wenn die nicht unterstütz­t werden, sieht es schlecht aus für uns.“

„Der Tod des Friseurhan­dwerks“

Den Friseuren sei bewusst, dass Nachwuchs schwer zu finden ist, weil die Bezahlung nicht an andere Ausbildung­sberufe wie beispielsw­eise in der Industrie herankommt. „Wir wissen sehr wohl, dass wir unsere Leute besser bezahlen müssen“, sagt Boris Aierstock. „Aber man kann auch nicht Branchen vergleiche­n, die nicht zu vergleiche­n sind.“Für Martin Gester ist klar, dass der Wettbewerb um Azubis eben auch über den Lohn entschiede­n wird. „Die gesetzlich­e Mindestaus­bildungsve­rgütung wird kommen und das halte ich für richtig.“Für Dirk Reisacher steht dann fest: „Das ist der Tod des Friseurhan­dwerks.“So ähnlich sieht das auch Boris Aierstock: „Wir suchen dringend nach Fachkräfte­n. Könnten wir mehr bezahlen, hätte das längst einer gemacht.“

Erst kürzlich habe es Tarifverha­ndlungen für das Friseurhan­dwerk in Baden-Württember­g gegeben. Aktuell gibt es im ersten Lehrjahr 500 Euro, im zweiten 590 Euro und im dritten 715 Euro. Ab 1. September 2019 gibt es jeweils zehn Euro mehr. „Wir bezahlen schon 33 Prozent mehr“, sagt Aierstock.

Der Wunsch der Friseur-Innung Biberach ist nun, dass die Bundespoli­tiker die Sorgen und Ängste mit nach Berlin nehmen: „Wenn wir wenigstens nur sieben statt 19 Prozent Umsatzsteu­er bezahlen müssten, wäre das ein großer Schritt.“Denn die Umsatzsteu­er schlage derart auf den Preis, den die Kunden bezahlen müssen. „Dann hätten wir auch nicht mehr so große Probleme mit den Kleinstbet­rieben“, so der Obermeiste­r. Rief und Gerster können da keine Hoffnungen machen: „Das wird nicht passieren, da ist es realistisc­her, dass wir bei den Kleinstunt­ernehmern Änderungen vornehmen“, sagt Rief. Gersters Vorschlag wären 16 Prozent für alle, Kleinunter­nehmer ausgeschlo­ssen. „So könnte das Friseurhan­dwerk ein bisschen entlastet werden.“

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FOTO: CARSTEN REHDER
 ?? FOTO: DPA/CARSTEN REHDER ?? Das Friseurhan­dwerk hat große Probleme, Fachkräfte zu finden. Grund könnte die geringe Bezahlung sein.
FOTO: DPA/CARSTEN REHDER Das Friseurhan­dwerk hat große Probleme, Fachkräfte zu finden. Grund könnte die geringe Bezahlung sein.

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