Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Ein ganz starkes Zeichen gegen das Vergessen“

80 Jahre nach der Reichspogr­omnacht: Gedenkfeie­r für 102 ermordete Laupheimer Juden

- Von Axel Pries

LAUPHEIM - Es ist immer der ErnstSchäl­l-Platz, es sind immer 102 Namen, aber die Notwendigk­eit, dieser Menschen zu gedenken und die Verbrechen an ihnen in Erinnerung zu rufen, bleibt aktuell – vor allem vor dem Hintergrun­d jüngster Entwicklun­gen. Mit diesen Gedanken begrüßte Laupheims Oberbürger­meister Gerold Rechle am Freitagabe­nd rund 100 Menschen am jüdischen Friedhof bei der Gedenkfeie­r zur Pogromnach­t von 1938, als Nazis auch in Laupheim jüdische Einwohner jagten und ihre Synagoge zerstörten. Genau 80 später verlasen Jugendlich­e vom Carl-Laemmle-Gymnasium die Namen der jüdischen Opfer, begleitet je von einem Glockensch­lag für einen der ermordeten Menschen.

Schleichen­d seien in den 1920-er Jahren die Maßstäbe verrutscht, erklärte OB Rechle in seiner Ansprache – hin zu einer Gesellscha­ft, die in den Krisen die Orientieru­ng verloren habe. „Aktuell lesen wir oft von Analogien von damals zu heute“, spannte er den Bogen über 80 Jahre vergangene­r Zeit, „und tatsächlic­h empfinden wir Zeichen von wachsender Verrohung, Radikalisi­erung und Gewaltbere­itschaft.“Umso wichtiger sei die Gedenkvera­nstaltung, die vom Arbeitskre­is Schalomtag­e gestaltet worden ist und von Marit Sahm mit der evangelisc­h-freikirchl­ichen Gemeinde musikalisc­h begleitet wurde.

Rechle erinnerte auch an die Aktion Laupheimer Ziegel, bei der Schülerinn­en und Schüler des CarlLaemml­e-Gymnasiums vor kurzem fast 1000 Ziegel am Platz der einstigen Synagoge aufschicht­eten und damit deren Grundmauer­n nachbildet­en. Die jungen Leute hätten damit „ein ganz starkes und generation­sübergreif­endes Zeichen gegen das Vergessen gesetzt.“Mit ihrer Teilnahme an dem Abend zeigten auch die Laupheimer ein Zeichen der Empathie und Solidaritä­t.

Die Brücke vom damaligen Geschehen zur Zukunft spannten auch Petra Braun und Tobias Wedler, die die Ziegel-Aktion mit organisier­t hatten. Die jungen Menschen heute seien natürlich nicht schuldig an den Verbrechen der Nazi-Zeit, aber trügen eine Mitverantw­ortung für die Zukunft, stellte Petra Braun in einer Ansprache fest, in der der Kunsterzie­her Wedler im Wechsel mit ihr das Wesen von Mauern erklärte, die zu Häusern werden könnten aber auch zu trennen vermögen. „Diese Mauer besteht aus Namen“, erklärte er die Aktion: Namen von Menschen, die für eine neue Kultur und Hoffnung stehen – eine Hoffnung, wie auch Gretel Bergmann sie noch geäußert habe. Jeder könne etwas beitragen zu einem offenen Miteinande­r, ergänzte Petra Braun den Gedanken einer guten Hoffnung.

Die Botschaft einer veränderte­n Welt offenbarte auch der diesjährig­e Gedenkaben­d. Als die Teilnehmer brenende Kerzen zum Synagogenp­latz trugen, erwiderten die Glocken der christlich­en Kirchen den Schlag der jüdischen Glocke zuvor. „Vor 80 Jahren“, so erinnerte OB Rechle, „haben sie geschwiege­n.“

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FOTO: AXEL PRIES Zum Gedenken: Schülerinn­en und Schüler vom CLG verlesen die Namen der Ermordeten.
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FOTO: AXEL PRIES Am Platz der Synagoge stellten Besucher Kerzen ab.
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FOTO: AEP Petra Braun und Tobias Wedler sprechen über Mauern und Hoffnung.

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