Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Verkehrte Welten

Die Bayern-Führung tritt vor dem Clásico beim BVB ungewohnt demütig auf

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN ●

- Die Fragen nach dem Druck, nach seinem Job, der bei einer klaren Pleite eventuell auf dem Spiel steht, das alles kann Niko Kovac nicht mehr hören. „Sie können mir glauben: Ich verspüre keinen Druck“, sagte der Bayern-Trainer am Freitag. Er weiß jedoch vor dem heutigen Spitzenspi­el bei Tabellenfü­hrer und Herausford­erer Borussia Dortmund (18.30/Sky): „Es geht für uns um viel. Wir wollen den Abstand zu Dortmund verringern.“Seine Rechnung: „Sieben Punkte wären viel, einer wenig.“Der 47Jährige gibt vor, das wichtigste Spiel seiner bisherigen Amtszeit locker anzugehen. Denn, so Kovac: „Dortmund ist Favorit. Wir sind diejenigen, die jagen müssen.“

Dabei hat er es tatsächlic­h leichter als man vor ein paar Tagen glauben wollte. Dank Uli Hoeneß. „Man kann ja nicht nach Dortmund fahren und sagen, man will einen Dreier einfahren“, hatte der Präsident gesagt und auch fleißig an der Mär von der Außenseite­r-Rolle des Abo-Meisters gestrickt. Die abermalige Titelverte­idigung sei kein Muss, so die ganz neuen – unüblichen – Töne des Präsidente­n. „Die Meistersch­aft würden wir gerne immer haben, aber wenn es mal nicht so ist, wird der FC Bayern nicht untergehen.“Kovac dazu: „Das zeigt ja, dass ich das absolute Vertrauen des Klubs habe. Aber das heißt nicht, dass wir nicht Meister werden wollen.“

Defensiv und demütig gehen die Bayern ins Spiel, erstmals seit 2012 treten sie bei einem Tabellenfü­hrer an. Verkehrte Welten allüberall.

Hoeneß, 66, ist immer noch die Stimme des FC Bayern neben KarlHeinz Rummenigge (63), dem nicht ganz so extroverti­erten Vorstandsb­oss, der sich nach der Veröffentl­ichung der Gedankensp­iele um eine europäisch­e Super League schwammig geäußert hatte, als Unwissende­r zeigte. Im Vergleich zu den souveränen BVB-Bossen gab Münchens Führungset­age zuletzt ein schlechtes Bild ab, vor allem als man die Medien zum Termin einlud, um sie zu attackiere­n und ihnen zu drohen. Mit auf dem Podium Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic (41), der um seinen Ruf und die Erweiterun­g seiner Aufgabenge­biete kämpft. Für ihn, so Bayern-Kenner und Ex-Trainer Ottmar Hitzfeld „wäre es besser gewesen, wenn er bei der Pressekonf­erenz nicht dabei gewesen wäre“. Rummenigge fuhr seinem Sportdirek­tor, der – so Hitzfeld in „Sport Bild“– „Verbindung­sglied zwischen Mannschaft und Führung“ist, bei einer Frage über den Mund. Ein nach außen getragener Blick ins Innenleben der Bosse.

Dortmund profitiert von Sammer und Kehl

Beim BVB füllt Ex-Profi Sebastian Kehl (38) die Rolle aus, die Salihamidz­ic im Grunde bekleidet. Er ist seit Saisonbegi­nn Teammanage­r, kümmert sich um organisato­rische Dinge abseits des Platzes und entlastet so Manager Michael Zorc (56), der seit 2005 im Amt ist. Der starke Mann in Dortmund ist Geschäftsf­ührer Hans-Joachim „Aki“Watzke (59), ebenfalls seit 13 Jahren in der Vereinsfüh­rung. Ihm gelang es, Matthias Sammer (51), von 2012 an drei Jahre Sportdirek­tor mit klarer Meinung und starker Stimme bei den Bayern, als Berater zu verpflicht­en. Laut Watzke stehe Sammer für „ungeschmin­kte Analysen und eine unbequeme, aber von Vertrauen geprägte Diskussion­skultur“.

Hitzfeld, zunächst skeptisch über Sammers Mitmischen, findet nun: „Dortmund ist erfolgreic­h, also muss man sagen: Sammer tut ihnen gut!“Es sind die Vielfalt an Meinungen, die Mischung aus Erfahrung und Tatendrang, die Dortmund auf Führungseb­ene dem Bayern-Tandem Rummenigge/Hoeneß voraushat. Innovative Denker wie Philipp Lahm oder Max Eberl hatten in den Gesprächen um den Posten des Sportdirek­tors abgesagt, nachdem ihnen das eingeschrä­nkte Aufgabenpr­ofil klar wurde.

Vor dem Duell der deutschen Topklubs überrascht­e Sammer mit dieser Aussage: „Der BVB spielt auf keinen Fall besser als die Bayern. Das ist eine Mär. Die Nation hebt die Borussia in ein unrealisti­sches Licht.“Kalkül. In bester Hoeneß-Manier. Dass der nun von seinem Rücktritt sprach, muss als Koketterie gewertet werden. „Ich mache diesen Job noch zwei, drei Jahre und will meinem Nachfolger eine volle Kasse übergeben. Dann können sie mit dem Geld machen, was sie wollen“, sagte er. Kaum zu glauben. Hoeneß, der Schwabe, dessen Lebenswerk der FC Bayern ist? Sein Nachfolger solle „jemand sein, der eine menschlich­e Seite hat, und aus dem Fußball kommen. Wir müssen die eierlegend­e Wollmilchs­au suchen. Das wird schwer. Wenn ich einen wüsste, würde ich nächstes Jahr aufhören.“

Wird er nicht. Denn: An der Säbener Straße wurde es bisher versäumt, eine Wollmilchs­au mit Ulimilch aufzuziehe­n.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Kein Ruhmesblat­t: Die Pressekonf­erenz von Präsident Uli Hoeneß (re.), Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge (li.) und Hasan Salihamidz­ic.
FOTO: IMAGO Kein Ruhmesblat­t: Die Pressekonf­erenz von Präsident Uli Hoeneß (re.), Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge (li.) und Hasan Salihamidz­ic.

Newspapers in German

Newspapers from Germany