Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Lachen über poetische Lästereien
Bei der 21. Nacht der Poeten nehmen vier poetische Lästerer die Gesellschaft auf die Schippe
Groteske Geschichten und komische Lyrik bei der 21. Nacht der Poeten.
LAUPHEIM – Groteske Geschichten, komische Lyrik und erheiternde Gedichte hat es am Freitagabend bei der 21. Nacht der Poeten zu hören gegeben. Moderator Jess Jochimsen führte pointenreich durch den Abend. Zu Gast waren der Münchner Kabarettist Holger Paetz, der Hamburger Autor Anselm Neft sowie Slampoet Paul Weigl aus Berlin. Für die musikalische Untermalung des Abends sorgte Sänger und Songwriter Sascha Bendiks.
Moderator Jess Jochimsen, seines Zeichens selbst Kabarettist und Autor, hat den Abend mit ein paar Gedanken zur „verdrängten“FußballWM 2018 eröffnet, von der alle so tun, als hätte es sie nicht gegeben: „Deutschland ist in Russland gescheitert und das schon zum zweiten Mal, und wer hat Schuld? Ist doch klar, der Özil!“In einem gewitzten Vortrag klapperte der Moderator landläufige rassistische Stereotype ab und sorgte so erst mal für betretenes Schweigen im Publikum, das einen Augenblick benötigte, um hinter die satirische Fassade zu blicken.
Umwege führten Jochimsen über den globalen Kapitalismus hin zur französischen Nationalhymne, deren Inhalt er gerne mit seinem Publikum reflektierte. Im zweiten Teil des Abends hat sich Jochimsen dann über die „kleinen Sorgen“der Menschen amüsiert. „Neulich habe ich ein Straßeninterview gesehen, bei dem eine Frau äußerte, dass sie sich seit den Vorfällen in der Kölner Silvesternacht nicht mehr auf die Straße traue.“
„Faszinosum Faszien“
Der nächste Gast auf der Kulturhausbühne hat sich das Älterwerden vorgeknöpft. Autor Anselm Neft aus Hamburg, diesjähriger BachmannPreis-Teilnehmer, fesselt mit Wortakrobatik. Er spricht vom „Faszinosum Faszien“, wenn er über seine neuerlichen Altersbeschwerden erzählt, die „über Nacht“kamen. Auch die Camembert-Zunge, die häufig nach Kneipenbesuchen auftritt, lädt zum Schmunzeln ein. Er schimpft in seinem Vortrag über Ärzte, Homöopathen und Psychotherapeuten. Selbstironisch stellt Neft irgendwann fest: „Als junger Mann wollte ich mich nicht konzentrieren, heute kann ich es nicht mehr!“
Den Kabarettisten Paul Weigl quälen zwar keine Altersbeschwerden, allerdings lebt der Berliner in Siemensstadt, einem Stadtteil im Bezirk Spandau, wo Überalterung allgegenwärtig scheint und laut dem Poetryslam-Künstler der 70-Jährige dem 80-Jährigen im Bus Platz macht. „Da bleibt der Bordstein vom Tag davor noch hochgeklappt“, schmunzelt Weigl. Er echauffiert sich über fehlende Ehrlichkeit, „pseudoeloquente“Redensarten und führt dem Zuschauer das Fünkchen Freiheit vor, dass ihm in seinem Alltag noch zwischen all den Sachzwängen bleibt. Urkomisch sind seine Auslassungen über alberne Postkarten mit Sprüchen, die sich vornehmlich an Kühlschränken finden lassen. „Diese mit Karten behangenen Kühlschränke sollen Selbstreflexion suggerieren und gleichzeitig das Hirn pürieren.“
Dienstältester an dem Abend war Holger Paetz. Der Münchner Kabarettist philosophiert über dümmliche Wahlslogans bei der Bayern-Wahl, darüber, warum sich die CDU nicht verändern kann und über die Spaßlosigkeit der arabischen Welt. Die Ursache all dieser Probleme sei natürlich der Alkohol. Goethe, Beethoven waren dem Rausch nicht abgeneigt. In einem ulkigen Vortrag trägt er Strophe für Strophe der Ode an die Freude vor: „Eine einzige Alkoholwerbung, das kannst du gar nicht nüchtern schreiben.“Später fabuliert er über das moderne Reisen mit dem ICE und das Bahnprojekt Stuttgart 21: „Da graben sie den Bahnhof in die Tiefe in der Hoffnung, irgendwann auf Schienen zu stoßen!“
Für die musikalische Begleitung hat Sänger und Songwriter Sascha Bendiks auf dem Piano und der Gitarre gesorgt. Seine selbstgeschriebenen Lieder, mal melancholisch, mal fröhlich, regen zum Nachdenken an. Im Gepäck hatte Bendiks auch einige groteske Liedzeilen: „Jesus hat angerufen, er hat 'ne Metzgerei und es geht ihm gut dabei.“
Der Besucherin Karin Garcia, die an diesem Abend gemeinsam mit ihrem Mann die Veranstaltung besucht hat und seit Jahren Stammgast bei der Nacht der Poeten ist, hat die Show wieder gut gefallen: „Schön ist es, wie die Künstler mittlerweile Laupheim ins Programm einbeziehen. Mir gefällt auch die Auswahl der Künstler, die der Moderator trifft. Viele der Inhalte entsprechen meiner politischen Ansicht.“