Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Internet soll Ulm lebenswerter machen
Die Stadt hat den renommierten Titel „Zukunftsstadt“gewonnen
ULM - Bürger aus einer Nachbarschaft teilen sich ein Lastenfahrrad. Sensoren schalten das Licht an, wenn ein älterer Mann nachts auf die Toilette muss. Junge Leute erklären Senioren Begriffe aus dem Bereich Digitalisierung.
Kleine Beispiele aus einem Projekt mit einem großen Ziel: Die Digitalisierung soll Ulm lebenswerter machen – auch und insbesondere für Menschen, die mit dem Internet nicht viel anfangen können. Gleichzeitig sollen neue Fachkräfte angelockt werden.
Die Stadt hat den Wettbewerb Zukunftsstadt für sich entschieden – als eine von sieben Kommunen uns als einzige in Süddeutschland. Drei Jahre lang sollen Ideen entwickelt werden, um Ulm voranzubringen und zum Vorbild für andere zu machen.
Dafür gibt es zwei Millionen Euro. Die Hälfte kommt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, den Rest zahlt Ulm selbst.
Im Mai 2019 geht es los, in der Bewerbungsphase sind bereits einige Prototypen entwickelt worden. Zu Beginn des Wettbewerbs hatten noch 180 Städte um den Titel gekämpft. Was die Ulmer Bewerbung erfolgreich gemacht hat, war nicht das Konzept allein, die Stadt durch Digitalisierung attraktiver für ihre Bewohner zu machen.
Auch das Zustandekommen der Ideen war entscheidend: Die Bürger brachten ihre Vorstellungen ein. So soll es weitergehen, hofft Sabine Meigel, die Leiterin der Geschäfststelle Digitale Agenda der Stadt Ulm. Doch auch Vertreter aus der Wissenschaft bringen sich ein.
Viele Ideen stützen sich auf das Netzwerk Lorawan, das im ganzen Stadtgebiet ausgebaut worden ist.
Themenfelder stehen im Mittelpunkt
Bildung: Bürgergruppen sollen sich für Forschungsprojekte treffen und Ideen sammeln: Wo könnte das Internet so zum Einsatz kommen, dass es den Alltag erleichtert? Und wie können Zielgruppen erreicht werden, die sich von der Digitalisierung nicht angesprochen fühlen? Das Zentrum für Allgemeine Wissenschaftliche Weiterbildung verantwortet diesen Teilbereich.
Oberbürgermeister Gunter Czisch sagt: „20 bis 30 Prozent der Leute sind neudeutsch gesagt Outsider. Vieles in der Digitalisierung schließt Menschen aus. Genau das müssen wir verhindern.“
Entscheidender Bestandteil soll dabei sein, dass das Schlagwort Digitalisierung bekannter wird und dass die Bürger ein Verständnis bekommen, wie diese im Alltag helfen kann.
Demografie und Alter: Sensorgesteuerte Technologien können Senioren dabei helfen, möglichst lange selbstbestimmt in ihrer Wohnung zu leben. Solche Technologien gibt es bereits. Doch sie sind teuer.
Forscher des Akademischen Krankenhauses der Uni Ulm wollen günstigere Methoden finden – und Wege, genau auf die Bedürfnisse des Einzelnen eingehen zu können. Das Akademische Krankenhaus der Uni Ulm, das sich um diesen Bereich kümmert, will eine mit Sensoren ausgestattete Musterwohnung einrichten. Mobilität: Bisher funktionieren Leihrad-Systeme so, dass in der Stadt viele Fahrräder stehen, die jeder nutzen darf. Doch wie lässt sich das Konzept so verändern, dass nicht zunächst Dutzende oder Hunderte Gefährte gekauft werden müssen? Und wie lässt sich das Schloss mithilfe des Internets von den Nutzern öffnen? Fragen wie diese stehen im Fokus des Bereichs Mobilität.
Dort sollen auch andere Versuche gemacht werden: Sensoren, die Studenten der Hochschule Ulm entwickeln, sollen zählen, wie viele Fahrgäste wann an welcher Haltestelle warten. Andere Sensoren sollen erfassen, wie viel Verkehr wann wo fließt. Die Daten sollen Probleme aufzeigen und bei der Suche nach Lösungen finden. Zum Beispiel: Wann ist zu viel Verkehr und wie lässt er sich so umlenken, dass die Fahrer andere Wege oder andere Zeiten nutzen? Partizipation: Die Hochschule Neu-Ulm begleitet das Projekt Zukunftsstaddt wissenschaftlich. Sie will vor allem Vorschläge bringen, wie sich möglichst viele Bürger beteiligen und wie sich das Projekt so umsetzen lässt, dass die Ergebnisse langfristig erhalten bleiben.
Datenschutz: Bisher sammeln vor allem große Konzerne Daten. Das wollen die Ulmer ändern. Die mit Hilfe von Sensoren ermittelten Werte sollen nicht dem Profit einer Firma nutzen, sondern den Bürgern der Stadt. Ulm will die Daten selbst sammeln und unter strengen ethischen Gesichtspunkten verwenden.