Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Die Revolution kommt – mit Verspätung
Hoeneß droht mit Transfer-Offensive – Ribéry nach Auseinandersetzung zum Gespräch
MÜNCHEN (SID/dpa) - In der UliHoeneß-Tabelle ist die Lage von Bayern München noch nicht ganz so dramatisch. Die Tordifferenz interessiert den Münchner Vereinspräsidenten ja bekanntlich nicht, und so rangiert der Rekordmeister aus seiner Sicht wohl als Vierter auf einem Champions-League-Platz. Und doch: Auch Hoeneß dürfte spätestens am Montagmorgen mitbekommen haben, dass seine Bayern nicht nur sieben Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Borussia Dortmund haben, sondern auch hinter Gladbach, Leipzig und Frankfurt liegen. Platz fünf! Derartige Tabellenstände haben in München schon Revolutionen ausgelöst.
Doch gab sich Hoeneß nach dem 2:3 im Topspiel beim BVB ungewohnt gönnerhaft: „An Dortmund kommt in der Meisterschaft keiner vorbei“, sagte der Präsident. Dass es jedoch innerlich brodelt, da der aktuelle Zustand für das Münchner Selbstverständnis unerträglich ist, schickte Hoeneß eine Warnung an die Konkurrenz hinterher. 2019 werde Geld für neue Stars in die Hand genommen. „Wir werden nächstes Jahr, wenn der zweite Schritt des Umbruchs kommt, sicherlich das Mannschaftsgesicht ziemlich verändern.“Dann will das Imperium zurückschlagen – mal wieder!
Dass dieser zweite Schritt nötig ist, ahnen sie an der Säbener Straße schon lange, der Samstag hat ihnen Gewissheit gebracht. Sinnbildlich für die Not zur Erneuerung stand dort Franck Ribéry. Der Altstar (35) raffte sich zu einer großen Leistung auf, war „verrückt bei Balleroberung“, wie BVB-Coach Lucien Favre lobte. Doch irgendwann ging ihm die Luft aus und er begünstigte die Wende zugunsten der Borussia. Dass das ewige Enfant terrible nach dem Spiel mit einem französischen TV-Experten aneinandergeriet, dürfte seine Zukunftsaussichten in München nicht verbessert haben, auch wenn Hoeneß meinte: „Das mit dem Alter, das ist alles Käse.“Fünf Profis in der Bayern-Startelf waren schon in ihren 30ern, dazu kommen Mats Hummels und Thomas Müller, die nicht mehr lange 29 Jahre alt sind. Zum Vergleich: Dortmunds Formation war im Schnitt erst 25 Jahre alt.
Verwöhnt von sechs Meistertiteln in Serie hatten die Münchner auf einen personellen Umbruch vor dieser Saison verzichtet. Nur die Nationalspieler Leon Goretzka und Serge Gnabry (beide 23) stießen neu zum Team. Die altgedienten Stars Ribéry und Arjen Robben (34) erhielten einen (diesmal wohl wirklich) letzten Vertrag. Doch die einst gefürchtete Flügelzange ist über ihren Zenit. Auch Routiniers wie Hummels, Müller, Jérôme Boateng und Javi Martinez wirken müde und verschlissen – körperlich oder mental oder beides.
Im bewusst verknappten Kader gibt es zudem auch wegen einiger Verletzungen zu wenig Alternativen. Ganz anders als bei den prächtig verstärkten Dortmundern, bei denen Favre aus einem aufregenden Reservoir an Topstars und Großtalenten schöpfen kann. „Wir hatten zum ersten Mal seit 14 Jahren, seit ich diesen Job mache, eine Ersatzbank, die sich nicht vor der von Bayern München verstecken musste“, sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.
Sätze wie dieser treffen die Bayern in ihrem Markenkern. Hoeneß und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge dürften bereits Großes vorbereiten. Nicht für die Winterpause, da will Hoeneß neben dem fixierten Transfer des Kanadiers Alphonso Davies (18) keinen Spieler holen.
Doch das legendäre Festgeldkonto ist prall gefüllt, „wir haben so viel Geld in der Kasse wie nie zuvor“, sagte Hoeneß. Beste Vorzeichen also, vor allem, da der FC Bayern auf Enttäuschungen immer mit großen Einkäufen reagiert. Dass er wie häufiger in der jüngeren Vergangenheit reflexhaft in Dortmund wildert, schloss BVB-Boss Hans-Joachim Watzke allerdings aus: „Ein bisschen wehren können wir uns schon.“
Dennoch dürfte der Rekordmeister bei seinem Umbruch zur Borussia blicken. Auch, weil Dortmund es den Bayern vorgemacht hat – und zwar nicht nur bei der Neubesetzung der Mannschaft, sondern auch beim Trainer und in der Chefetage. Zum anderen hat sie der BVB schon mit seinen Meisterschaften 2011 und 2012 zur Erneuerung getrieben. Damals reagierten Hoeneß und Co. unter anderem mit der Verpflichtung von Javi Martinez, mit 40 Millionen Euro Ablöse der bis dahin teuerste Transfer der Clubgeschichte. Zwölf Monate später stand das historische Triple.