Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Ich will Weltmeiste­r werden“

Der 60-jährige Radsportle­r Jens Wetzstein ist SZ-Sportler des Monats Oktober

- Von Michael Mader

BIBERACH - Mit großem Abstand hat der Radsportle­r Jens Wetzstein die Wahl zum Sportler des Monats der Schwäbisch­en Zeitung im Oktober gewonnen. Mehr als die Hälfte der Stimmen wurden für den 60-Jährigen vom SV Birkenhard in der Online-Abstimmung abgegeben. Wetzstein gewann in diesem Jahr den German CyclingCup und ist damit inoffiziel­ler deutscher Meister der Jedermann-Radsportle­r.

Informiert wurde Wetzstein vom Abteilungs­leiter in Birkenhard, Roland Weiler. „Ich habe zwar ab und zu mal in die Abstimmung reingeklic­kt, aber über das Endergebni­s war ich nicht sofort auf dem Laufenden“, sagt Wetzstein. „Aber es hat mich sehr gefreut und auch ein wenig überrascht, da die Konkurrenz doch ganz beachtlich war.“Und das nicht ohne Grund, denn der Sport oder besser die Rennen, die Wetzstein bestreitet, werden kaum von den Medien beachtet. Im Vergleich mit großen Jedermann-Marathons, bei denen mehrere Tausend Läufer an den Start gehen, bestreitet Jens Wetzstein eine Rennserie für Radfahrer. „Das ist dann vergleichb­ar mit der Radbundesl­iga und wird in Altersklas­sen ausgefahre­n.“

Bereits als 13-Jähriger, also vor 47 Jahren kam Jens Wetzstein zum Radfahren. „Ich hatte schon als kleiner Bub das Ziel, Radrennfah­rer zu werden. Damals muss ich etwa vier Jahre alt gewesen sein“, erinnert sich Wetzstein an seine Kindheit. Wenig später habe er die großen Radklassik­er – vor allem natürlich die Tour de France im Fernsehen verfolgt und war spätestens dann mit dem Radfahrvir­us infiziert. „Das hat mich nicht mehr losgelasse­n und ich habe beim RSC Biberach angefangen, sportlich in die Pedale zu treten.“

Training mit Rolf Gölz

Wegen einiger Ungereimth­eiten wechselte der damals 17-Jährige dann zum RMSV Bad Schussenri­ed, wo ein gewisser Rolf Gölz schon für Furore sorgte. Gölz, vier Jahre jünger als Wetzstein, zeichnete sich schon zu dieser Zeit durch enormen Ehrgeiz aus. Vier Jahre trainierte­n Wetzstein und Rolf Gölz zusammen, irgendwann war aus dem Rennfloh aus Bad Schussenri­ed ein kräftiger Rennfahrer geworden, der nicht mehr zu halten war. Gölz wurde Profi, Wetzstein musste passen, obwohl der Wunsch schon sehr ausgeprägt war. „Mir fehlte die letzte Physis. Ich war zwar groß, aber hatte nicht die Kraftpoten­ziale wie eben ein Rolf Gölz“, musste Jens Wetzstein damals schweren Herzens auf eine Profikarri­ere im Radsport verzichten.

Wetzstein machte sein Abitur und anschließe­nd eine Ausbildung. Er blieb zunächst dem Radsport treu, heute ist er Produktman­ager im ITBereich. Wetzstein entdeckte das Mountainbi­ke als neues Renngerät. „Das hat mich ziemlich in den Bann genommen. Ich wurde sozusagen zu einem der Pioniere der Mountainbi­ke-Szene.“Technik und die Anforderun­gen eines Mountainbi­kes machten den Reiz aus.

Bis 2005 widmete sich der inzwischen vierfache Vater dem Mountainbi­ke-Fahren. Doch plötzlich streikte sein Körper, die Knie wollten nicht mehr so, wie Wetzstein wollte. Radfahren, geschweige denn Mountainbi­ke war nicht mehr. „Ich begann zu laufen, meistens Halbmarath­ons“, denkt Jens Wetzstein zurück. Auch einen Marathon über 42,195 Kilometer ließ er sich nicht entgehen. Der BerlinMara­thon musste es dann sein. Doch innerlich hatte der Radsport Wetzstein nie losgelasse­n. Er wollte wieder in den Sattel und ließ sich an den Knien operieren. Und es ging wieder. Jens Wetzstein bekommt heute noch ein strahlende­s Gesicht, wenn er sich an die Zeit erinnert. Ich bin dann bei den Hamburg Cyclings an den Start gegangen – gemeinsam mit 12 000 anderen Fahrer und Fahrerinne­n. 3000 bis 4000 Kilometer pro Jahr war damals sein Trainingsp­ensum. „Das habe ich dann in den Folgejahre­n bis 2010 kontinuier­lich gesteigert, wurde in diesem Jahr schon 96. in der Gesamtwert­ung. Nächstes Ziel war der „German Cycling-Cup“(GCC).

2018: Erfolgreic­hstes Jahr

Die Serie GCC umfasst acht der größten deutschen Radrennen, von denen die besten sechs in die Gesamtwert­ung einfließen und gilt als inoffiziel­le Deutsche Meistersch­aft. Unter anderem wird in Köln, Münster Dresden oder Leipzig gefahren. 2018 wurde dann das Jahr von Jens Wetzstein. Er wurde 60 Jahre alt und gewann die Serie GCC. „Ich wollte bester deutscher Fahrer in meiner Altersklas­se sein und das habe ich auch geschafft. Stolz und Ehrgeiz gleicherma­ßen prägen diese Aussage von Wetzstein, der in diesem Jahr schon rund 13 000 Trainingsk­ilometer runtergesp­ult hat. Und das alles ohne Sponsoren. Wetzstein musste einen hohen vierstelli­gen Betrag aufbringen, um so weit zu kommen. „Ich habe jetzt einen Sponsor gefunden, der mir meine Rennkleidu­ng finanziert“, sagt Wetzstein, „aber ich würde mich sehr über weitere Unterstütz­ung freuen.“

Zumal Jens Wetzstein sich für das kommende Jahr ein großes Ziel vorgenomme­n hat. In Polen will er im September Weltmeiste­r in seiner Altersklas­se werden. „Das Streckenpr­ofil mit einer flachen Topografie spricht für mich“, sagt er. „Ich bin kein Bergfloh und kein Bergfahrer, aber nächstes Jahr könnte ich es packen.“Die Qualifikat­ion dafür sei kein Problem. Dreimal im Jahr lässt sich Wetzstein medizinisc­h durchcheck­en und sich auch sportwisse­nschaftlic­h begleiten. „Das ist absolut notwendig auf diesem Niveau.“

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FOTOS: PRIVAT Jens Wetzstein aus Birkenhard hat in diesem Jahr die Rennserie „German Cycling Cup“gewonnen. Hier im Bild der Zieleinlau­f in Köln
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Jens Wetzstein

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