Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Vorerst keine neuen Streiks
Tarifpartner bei der Bahn verhandeln heute wieder
BERLIN (dpa) - Nach dem Warnstreik bei der Deutschen Bahn gehen heute die Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften weiter. Der vierstündige Ausstand traf am Montag Millionen Reisende und Pendler hart. Weitere Warnstreiks sind vorerst nicht geplant. „Unser oberstes Ziel ist, am Verhandlungstisch ein Ergebnis zu erreichen“, sagte Regina Rusch-Ziemba, die Verhandlungsführerin der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG).
Tausende EVG-Mitglieder hatten am Montagmorgen die Arbeit niedergelegt und den Zugverkehr vielerorts nahezu zum Erliegen gebracht. Kritik kam vom Ehrenvorsitzenden des Fahrgastverbands Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, der die Warnstreiks ohne rechtzeitige Ankündigung als überzogen bezeichnete. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer forderte im „Handelsblatt“für Warnstreiks eine Ankündigungspflicht von vier Tagen.
BERLIN - Verkehrschaos in BadenWürttemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen: Dort stand der Regionalverkehr der Bahn weitgehend still. Den Fernverkehr hatte die Bahn am Montagmorgen zu Beginn des dreistündigen Warnstreiks der Eisenbahnund Verkehrsgewerkschaft (EVG) gleich komplett eingestellt. Das macht die Bahn, weil der Verkehr so nach dem Ende eines Streiks schneller wieder anfahren kann. In Berlin, München, Stuttgart und anderen Städte ruhte der S-Bahn-Verkehr. Informationen gab es für gestrandete Reisende kaum, denn die Gewerkschaft hat auch die Informationsdienste teilweise lahmgelegt.
Es ist der erste Streik bei der Bahn seit Mai 2015. Damals hatte die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) Lokführer und Zugbegleiter aufgerufen. Der jetzige Warnstreik kam überraschend, denn bis zum Abbruch der Gespräche durch die EVG am Samstag verliefen die Verhandlungen seit zwei Monaten fast geräuschlos.
Der Ausstand brachte Bewegung in die festgefahrenen Tarifverhandlungen. An diesem Dienstag wollen Arbeitgeber und EVG einen neuerlichen Einigungsversuch unternehmen. Die Gewerkschaft beharrte zuletzt auf einer Lohnsteigerung von 6,1 Prozent statt der von der Bahn angebotenen 5,1 Prozent. Die Kunden können aufatmen. „Es gibt erst einmal keine weiteren Warnstreiks“, versichert EVG-Verhandlungsführerin Regina Rusch-Ziemba. Ziel sei ein Ergebnis ohne weiteren Arbeitskampf.
Nun pocht die größere der beiden Bahn-Gewerkschaften auf ein verbessertes Angebot der Arbeitgeber. Es handelt sich in diesem Jahr zwar um eine Entgeltrunde. Doch geht es konkret um 37 einzelne Forderungen der EVG, von der Vergütung für Azubis bis hin zur Aufstockung der betrieblichen Altersvorsorge. In den meisten Punkten wurde längst ein Kompromiss gefunden.
Gehakt hatte es nach Angaben der EVG bei der Lohnerhöhung und der Laufzeit des Vertrages. Statt der geforderten 7,5 Prozent bei 24 Monaten Laufzeit bot die Bahn 5,1 Prozent in zwei Stufen plus einer Einmalzahlung von 500 Euro an. Der Vertrag sollte 29 Monate laufen. Das reichte der EVG nicht, sodass sie die Gespräche am vergangenen Samstag abbrach und zum Warnstreik aufrief.
Ein weiterer Knackpunkt war zu diesem Zeitpunkt auch schon weitgehend entschärft. Dabei geht es um das vielbeachtete Wahlmodell bei der Bahn. Einen Teil der Tarifsteigerung dürfen die Beschäftigten in freie Zeit umwandeln. Von den sechs Tagen mehr Urlaub im Jahr machten viele Bahner in diesem Jahr erstmals Gebrauch. Die Arbeitgeber können eine Arbeitszeitverkürzung dieser Größenordnung schon rein personell nach eigenen Angaben nicht in jedem Jahr verkraften. So soll die nächste Wahlmöglichkeit nicht schon im kommenden Jahr bestehen, sonder erst 2021. Grundsätzlich hat die EVG eine Weiterentwicklung des Wahlmodells damit durchsetzen können.
Noch ein Prozent mehr Lohn
Entscheidend, so sagte es Bundesgeschäftsführer Torsten Westphal, sei nun ein substanziell verbessertes Angebot. „Wir haben deutlich gemacht, wie groß der Unmut der Kollegen ist“, so der Gewerkschafter. Tausende Beschäftigte hätten sich am Warnstreik beteiligt. Einen Prozentpunkt mehr Lohn will die EVG noch herausholen. Die Bahn zeigt sich dem Vernehmen nach auch bereit, noch ein Stück weit auf die Gewerkschaft zuzugehen. Ob dies allerdings am Ende für einen Kompromiss reicht, ist derzeit offen. Ein Indiz spricht gegen eine weitere Eskalation dieses Konfliktes. Entgegen mancher Mediendarstellung wurde nicht das Scheitern der Verhandlungen erklärt. Das hätte eine Urabstimmung über einen Arbeitskampf zur Folge.
Der eine Prozentpunkt, den die EVG fordert, würde nach Bahn-Berechnung aber jährlich 90 Millionen Euro zusätzliche Lohnkosten bedeuten. Der Konzern hat schon jetzt Finanzsorgen. Er will in den kommenden Jahren „auf Rekordniveau“in Fahrzeuge und Netz investieren. Das wird ohne neue Schulden nicht gehen. Am Mittwoch legt der Vorstand dem Aufsichtsrat die mittelfristige Finanzplanung bis 2023 vor.
Auf der zweiten Tarifbaustelle der Bahn herrscht Ruhe. Die Bahn verhandelt stets zeitgleich mit der Lokführergewerkschaft GDL. Dort sollen an diesem Dienstag auch die letzten offenen Punkte vor einem Abschluss aus dem Weg geräumt werden. Laut GDL-Chef Claus Weselsky haben die Arbeitgeber noch kein konkretes Lohnangebot vorgetragen. In wesentlichen Punkten der Arbeitszeitgestaltung, etwa Pausenund Schichtregelungen, sind sich beide Seiten dem Vernehmen nach weitgehend einig geworden. Das war neben dem Entgelt die wichtigste Forderung der Lokführer.
„Am Dienstag ist Zahltag, eine nächste Runde wird es nicht geben“, warnte Weselsky vor dem Treffen in Eisenach. Anders als die EVG kann er seine Mitglieder nicht zu Streiks aufrufen. Die GDL ist an eine Vereinbarung gebunden, derzufolge sie erst nach einem Schlichtungsverfahren streiken darf. Die EVG will die Situation auch nicht weiter eskalieren lassen. Sie kehrt am Dienstag zu den Verhandlungen zurück.