Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Polens Regierung will jetzt ein EU-freundliches Image
Wir sind das schlagende Herz Europas“, ruft Polens Premier Mateusz Morawiecki den überraschten Mitgliedern der nationalpopulistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zu. Bislang war die EU für PiS-Ideologen nur eine „imaginäre Gemeinschaft“. Mit den EU-Zuschüssen habe das Land gerade mal die „Bürgersteige ausbessern“können, hieß es. Nun die große Wende? Soll vor den EU-Wahlen im Mai 2019 die Tonlage von EU-kritisch zu EUfreundlich geändert werden? Da die meisten Polen EU-begeistert sind, hören sie diese Botschaft der PiS nur allzu gerne. Doch liberale wie linke Oppositionelle in Polen vermuten etwas anderes: Der Kurswechsel könnte auf vorgezogene Parlamentswahlen im März 2019 hindeuten.
Denn die eigentlich für Herbst 2019 angesetzten Parlamentswahlen könnten die EU-skeptische PiS viele Stimmen kosten, sollten die Wähler ihnen den plötzlichen Kurswechsel hin zur proeuropäischen Partei nicht abkaufen. Auch der Brexit im März 2019 könnte für die PiS negative Folgen haben, sollten all die hämischen PiS-Kommentare zu angeblich unfähigen „Eurokraten in Brüssel“erneut aufs Tapet kommen – so wie das Strafverfahren der EU-Kommission gegen Polens Regierung gemäß Artikel 7 des EU-Vertrags. In jedem Fall werden die EU-Wahlen – die zwei Monate nach dem Brexit stattfinden – Signalwirkung für die anschließenden nationalen Wahlen haben. Es sei denn, es kommt zu vorgezogenen Neuwahlen.
Tatsächlich, berichten die linksliberale „Gazeta Wyborcza“und die konservative „Rzeczpospolita“, soll es in der PiS und der rechtsanarchistischen Bewegung Kukiz’ 15 entschiedene Befürworter für vorgezogene Wahlen geben. Denn für März wird ein weiteres Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen Polen erwartet, das Teile des umfassenden Umbaus des polnischen Gerichtssystems für unvereinbar mit EU-Recht erklären könnte.
Für Justizminister Zbigniew Ziobro, der auch Generalstaatsanwalt Polens ist, könnte sich das zur Katastrophe auswachsen, sollten die Wahlen danach stattfinden. Vorgezogene Wahlen würden es neuen Parteien schwer machen, rechtzeitig Strukturen aufzubauen, um erfolgreich Kandidaten ins Rennen schicken zu können. Keine Chance hätten die linksliberale Partei des populären Ex-Bürgermeisters von Slupsk, Robert Biedron, und die rechte „Bewegung Wahres Europa“, hinter der der nationalklerikale Pater Rydzyk stehen soll und die der PiS gefährlich werden könnte.
Damit es zu vorgezogenen Wahlen kommt, müsste Polens Präsident Andrzej Duda den Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus, vorzeitig auflösen. Das kann er, wenn es den Haushalt für das nächste Jahr nicht rechtzeitig verabschiedet. Auf diese Situation steuert das politische Polen gerade zu. Nach der nächsten regulären Sejm-Sitzung am 24. Januar bleiben den Abgeordneten nur drei Tage, um das Budget zu verabschieden. Das Haushaltsgesetz hängt aber in einem Fachausschuss fest.
Noch scheint sich PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski alle Optionen offenhalten zu wollen. Die Entscheidung soll Mitte Januar fallen, behaupten Beobachter. In der Zwischenzeit will die PiS weiter feilen an ihrem EU-freundlichen Image.