Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Ich bin ein Aesculap-Fan“
B.-Braun-Chef Heinz-Walter Große macht eine Liebeserklärung an die Tochter aus Tuttlingen
TUTTLINGEN - Heinz-Walter Große lenkt seit acht Jahren die Geschicke des Familienunternehmens B. Braun Melsungen AG, zu dem seit 1976 der Tuttlinger Medizintechnikhersteller Aesculap gehört. Ende März 2019 verabschiedet er sich nach mehr als 40 Jahren bei B. Braun in den Ruhestand. Im Gespräch mit Andreas Knoch zieht Große Bilanz seiner Karriere und erklärt, warum mit Anna Maria Braun die Richtige an der Unternehmensspitze nachfolgt und weshalb Aesculap für B. Braun ein Glücksfall ist.
Herr Große, das Jahr 2018 ist so gut wie vorüber. Wie ist das Geschäft für B. Braun gelaufen?
Ich möchte der Veröffentlichung unserer Geschäftszahlen nicht vorgreifen, zumal der Dezember in unserem Geschäft ein traditionell sehr starker Monat ist. Und der ist noch nicht vorüber. Was ich aber sagen kann: Wir wachsen, und zwar in allen vier Sparten. Den angestrebten Zielkorridor von fünf bis sieben Prozent werden wir erreichen – auch wenn wir im Konzern mit Gegenwind von der Währungsseite zu kämpfen haben. Ob wir auch beim Ergebnis zulegen ist daher offen.
Und bei Aesculap?
Aesculap hat sich 2018 zufriedenstellend entwickelt. Das mag für Außenstehende wenig euphorisch klingen. Doch intern ist das als Lob zu verstehen. Eine Steigerung zum Terminus zufriedenstellend gibt es bei B. Braun nämlich nicht.
Sie sind seit 40 Jahren im B.-BraunKonzern, seit acht Jahren Chef des Familienunternehmens. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung von Aesculap?
Ich bin ein Aesculap-Fan – und das seit 34 Jahren. Ich war damals für B. Braun in den USA tätig. Im Rahmen eines Projektes lernte ich Aesculap und Michael Ungethüm kennen, den langjährigen Vorstandschef des Unternehmens – und war hellauf begeistert. Ich habe immer in Richtung Tuttlingen geschielt, ob es bei Aesculap nicht eine Position für mich gäbe. Rückblickend war es ein sehr kluger Schritt von B. Braun, sich an Aesculap zu beteiligen und das Unternehmen später komplett zu übernehmen. Aesculap ergänzt das Produktportfolio von B. Braun ideal.
Aesculap wurde zuletzt nachgesagt, nicht mehr so innovativ zu sein. Zu Recht?
Aesculap ist auf einem guten Weg, Innovationen voranzubringen. Wir entwickeln die eigenen Produkte weiter und schauen, was man von außen hereinholen kann – etwa im Digitalgeschäft. In Zukunftsfeldern wie der Robotik oder bei OP-Mikroskopen ist Aesculap gut aufgestellt. Die Familie Braun hat große Erwartungen an die Innovationskraft von Aesculap. Mit Katrin Sternberg, die seit August das Ressort Forschung und Entwicklung im Vorstand bei Aesculap verantwortet, hat der Konzern aber auch jemanden gefunden, der das schaffen wird.
Zuletzt gab es Verunsicherung mit der Ankündigung, den Vertrieb von Aesculap und B. Braun zusammenzulegen …
Aesculap ist in der Vergangenheit als eigenständige Organisation am Markt aufgetreten, B. Braun ebenfalls. Das macht keinen Sinn, und das wollen wir ändern. Wir müssen uns als Gesamtunternehmen verstehen – auch, weil auf Kundenseite die Einkaufsprozesse mittlerweile viel professioneller sind. Als B.-Braun-Gruppe können wir auf dem gesamten Patientenpfad, wie wir das nennen, Lösungen anbieten. Das macht uns zu einem kompetenten Ansprechpartner, denn unsere Kunden wollen eine überschaubare Anzahl an Lieferanten. Wir möchten ihnen gegenüber als ein gemeinsamer Partner auftreten. Gerüchte, wonach die Nordhessen aus Melsungen die Tuttlinger damit stärker an die Kandare nehmen wollten, entbehren jeglicher Grundlage. Es geht einzig und allein darum, wie wir gemeinsam noch erfolgreicher werden können.
Wie wird sich B. Braun in den nächsten Jahren entwickeln?
In den vergangenen 180 Jahren ist das Unternehmen immer zwischen fünf und acht Prozent gewachsen. Das liegt über dem Marktwachstum und ich bin zuversichtlich, dass B. Braun dieses Tempo auch künftig halten kann. Anpassungen in der Art und Weise, wie wir die Märkte bearbeiten – ein Beispiel ist die Zusammenlegung des Vertriebs von B. Braun und Aesculap – vor allem aber die Innovationskraft und die Produktqualität, die wir haben, machen mich da optimistisch. Und dann gibt es regional auch noch einige weiße Flecken auf dem Erdball, wo B. Braun deutlich stärker wachsen kann – allen voran in Afrika.
Sie übergeben zum April 2019 den Vorstandsvorsitz von B. Braun an Anna Maria Braun. Wer folgt Ihnen da nach?
Vielen im Konzern war klar: Wenn es jemanden in der Familie gibt, der die Fähigkeiten und den Willen hat, das Unternehmen zu führen, geht der Vorstandsvorsitz zurück in die Familie. Anna Maria Braun bringt diese Voraussetzungen mit. Sie hat eine juristische Ausbildung, war in den USA, hat in Asien den Dialysebereich für B. Braun weiterentwickelt, verantwortete das Geschäft von B. Braun im asiatisch-pazifischen Raum und ist in den Vorstand des Familienunternehmens eingezogen. Ich kann nur sagen: Jawohl, das ist jemand, der vom Alter, der Qualifikation und der Frische genau auf diese Position passt. Und was das Wichtigste ist: Sie will es auch. Ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass sie das erfolgreich meistert.
Auf was sind Sie als B.-Braun-CEO besonders stolz?
Darauf, dass B. Braun auch unter meiner Führung viele innovative Produkte auf den Markt gebracht hat. Und darauf, dass die Gruppe in diesen Jahren genauso weitergewachsen ist, wie sie es in den 180 Jahren zuvor getan hat. In den verbleibenden Monaten möchte ich noch einen reibungslosen Übergang an der Unternehmensspitze hinbekommen und Anna Maria Braun unterstützen – keine leichte Aufgabe, denn ich mache das zum ersten Mal in meiner Karriere.
Wie sehen Ihre Pläne nach mehr als 40 Jahren im B. Braun-Konzern aus?
Ich beschäftige mich schon seit einiger Zeit mit der Frage, wie sich Arbeit in Unternehmen besser organisieren lässt. Das wird mich weiterhin beschäftigen. Darüber hinaus habe ich noch etliche Nebenbeschäftigungen wie den Vorsitz im Arbeitgeberverband HessenChemie sowie den Aufsichtsratsvorsitz bei Aesculap und unserer Dialysesparte Avitum. Und dann wird mir meine Frau sicherlich noch erklären, welche Aufgaben ich künftig zu Hause übernehmen darf. Es wird also nicht langweilig werden.