Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Es handelt sich wohl nur um eine Atempause“
Christian Mayer über die geplante Unterbrechung des Afghanistan-Einsatzes der CH-53
LAUPHEIM - Die Bundeswehr plant eine Einsatzpause für die in Afghanistan stationierten Transporthubschrauber vom Typ CH-53, die vom Hubschraubergeschwader 64 der Luftwaffe mit Hauptsitz in Laupheim gestellt werden. Der Verband will die dann zusätzlich verfügbaren Flugstunden in die Ausbildung junger Luftfahrzeugbesatzungen investieren, damit die Einsatzbelastung auf mehr Schultern als bisher verteilt werden kann. „Es geht darum, uns zu konsolidieren für kommende Einsätze“, sagt der Kommodore Christian Mayer im Gespräch mit Roland Ray.
SZ: Herr Mayer, im November wurde publik, dass die Bundeswehr ihre in Afghanistan eingesetzten Transporthubschrauber vom Typ CH-53 in zwei, drei Jahren nach Deutschland zurückholen will. Das HSG 64 der Luftwaffe ist der einzige Verband der Bundeswehr, der diesen Hubschrauber im Einsatz fliegt. Ist Ihnen schon Näheres bekannt?
Mayer: Es zeichnet sich ab, dass die Maschinen und das Personal für etwa 18 Monate, bestenfalls bis zu 24 Monate aus Afghanistan abgezogen werden. Nach dem jetzigen Stand der Planung sollen wir anschließend wieder dorthin. Es handelt sich für unseren Verband also wohl nur um eine Atempause. In dieser Zeit setzen Heeresflieger mit dem kleineren NH 90 und unserem kleinen Spezialkräftehubschrauber H145M als Begleitschutz den Auftrag Lufttransport und Verwundetenlufttransport fort.
Sind 18 Monate nicht sehr knapp bemessen? Es erfordert ja doch erheblichen Aufwand, die CH-53 hin und her zu transportieren.
Das wird in der Tat ein Kraftakt. Wir hatten auf eine längere Pause gehofft. Drei bis vier Jahre wäre unsere Vorstellung.
Weil die Menschen erschöpft sind und das Material alt ist?
Das Problem ist die Diskrepanz zwischen den Anforderungen, die an uns gestellt werden, und den Ressourcen. Einer meiner Vorgänger in Laupheim, Oberst Christoph Füsser, hat darauf schon 2006 in einem Interview in der „Schwäbischen Zeitung“eindringlich hingewiesen. Geändert hat sich nichts. Die CH-53 ist seit Jahrzehnten in Gebrauch, entsprechend wartungsintensiv und über ihren sinnvollen Verwendungszyklus eigentlich sehr deutlich hinaus, die Ersatzteilversorgung schwierig, in manchen Bereichen dramatisch. Das hat zur Folge, dass wir die in der Heimat verfügbaren Flugstunden schwerpunktmäßig in das Training von Besatzungen stecken müssen, die in den Einsatz gehen, und junge Leute nicht in der notwendigen Tiefe dafür ausbilden und qualifizieren können. Was bedeutet, dass immer wieder die gleichen Piloten, Bordtechniker und Bordsicherungssoldaten nach Afghanistan geschickt werden, weil die jungen Kameraden, die sie entlasten könnten, nicht genügend Flugstunden bekommen. Christian Mayer über Soldaten, die häufig nach Afghanistan geschickt werden
Wie hoch ist die Belastung?
Bei uns gibt es einige, die jedes Jahr mehrfach, in Summe teilweise die Hälfte eines Jahres in Afghanistan sind. Nicht jeder steckt das körperlich und psychisch einfach weg. Das hinterlässt Spuren, auch im Familienleben.
Bietet der vorübergehende Abzug aus Afghanistan Gelegenheit, die Situation zu verbessern?
Das streben wir zumindest an. Es geht darum, uns zu konsolidieren für kommende Einsätze. Flugstunden auf der CH-53, die in Afghanistan wegfallen, wollen wir hier in die Ausbildung junger Luftfahrzeugbesatzungen investieren. Dann kann die Einsatzbelastung auf mehr Schultern als bisher verteilt werden. Außerdem müssen wir einen Grundstock an Personal aufbauen für die Einführung des CH-53-Nachfolgers, die 2024 beginnen soll. Auch im Hinblick darauf wäre eine längere Afghanistan-Pause wünschenswert, um möglichst viele erfahrene Leute hier zu haben, wenn das Geschwader die ersten neuen Hubschrauber erhält; und um bestmöglich reagieren zu können, wie viel technisches und fliegendes Personal tatsächlich für die Umstellung zu welchem Zeitpunkt benötigt wird. Erst dann lässt sich genau sagen, wie groß parallel dazu das Engagement mit der CH-53 in einem Einsatz noch sein kann.
In jedem Fall ist wohl mit mehr Flugbetrieb in Laupheim zu rechnen?
Ich hoffe ja. Wobei man sehen muss, woher wir kommen. Unsere Sollvorgabe für eine umfassende Einsatzfähigkeit mit der CH-53 sind über 10 000 Flugstunden pro Jahr. Tatsächlich schaffen wir nur knapp die Hälfte, Afghanistan inklusive. Vom Standort Laupheim aus sind nächstes Jahr mit der CH-53 zirka 2700 Stunden geplant, das ist weniger als in diesem Jahr geplant war und entspricht ungefähr dem, was wir tatsächlich erreicht haben. Die Afghanistan-Stunden verteilen sich bei der Atempause im Übrigen auf Laupheim und Holzdorf und sind in Deutschland nicht zuletzt wegen der Umsetzung der Europäischen Arbeitszeitregelungen in der Bundeswehr und der dadurch limitierten Verfügbarkeit von Fachpersonal und auch den resultierenden Platzöffnungszeiten bei Weitem nicht eins zu eins reproduzierbar.
Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat am 9. November grünes Licht für den Kauf neuer Transporthubschrauber gegeben. 5,6 Milliarden Euro sollen dafür bereitgestellt werden. Ist schon entschieden, welcher Hubschrauber angeschafft wird?
Meines Wissens nicht. Auf jeden Fall wird es ein am Markt verfügbares System sein. Da kommen aktuell nur zwei Modelle von US-amerikanischen Herstellern in Betracht: die CH-47 F „Chinook“von Boeing und die CH-53 K von Sikorsky. Beide Typenbezeichnungen klingen wohlbekannt, doch dahinter verbergen sich hochmoderne schwere Transporthubschrauber, die deutlich mehr Fähigkeiten besitzen, unter anderem auch deutlich mehr Last transportieren können als unsere alte CH-53.
Haben Sie einen Favoriten?
Wichtig ist, dass der Neue verlässlich schnell die alte CH-53 ersetzen kann. Dabei hilft, wenn es vom Start weg genügend Ausbildungsmöglichkeiten für Techniker und fliegendes Personal gibt. Die CH-47 F ist bereits bei etlichen Verbündeten im Einsatz, bei denen die Bundeswehr Personal schulen lassen kann. Die CH-53 K fliegen bisher nur die Amerikaner; bei ihr gibt es jedoch rein technisch mehr Schnittmengen mit unserem heutigen Modell als mit der „Chinook“. Wie man sieht, haben beide Modelle ihre Vorzüge. Entscheiden wird die Politik.
„Das hinterlässt Spuren, auch im Familienleben.“
Während der Einsatzpause der CH-53 will die Bundeswehr auch leichte Mehrzweckhubschrauber des Typs H145M am Hindukusch stationieren, die wiederum von der Luftwaffe aus Laupheim kommen und zu den Spezialkräften der Bundeswehr gehören. Nicht für alle Geschwaderangehörigen scheint folglich eine Entlastung in Sicht...
Unsere H145M soll Begleitschutz fliegen für den NH-90-MedevacHubschrauber. Das ist, wenn man so will, die Kröte, die geschluckt werden muss, um der CH-53 eine Atempause zu verschaffen. Wie viele HSGler davon betroffen sein werden, ist noch nicht abzusehen. Es werden aber deutlich weniger sein als beim großen Hubschrauber.
„Die Grenzen der Verträglichkeit sind erreicht.“
Die Wohnbebauung rückt immer näher an den Laupheimer Flugplatz heran
Im soeben verabschiedeten städtischen Haushaltsplan 2019 wird Geld für die Erschließung eines Wohngebiets am „Mäuerle“bereitgestellt. Wie stehen Sie zu diesem Vorhaben?
Ich habe volles Verständnis dafür, dass die Stadt Bauland schaffen will. Trotzdem rate ich davon ab, an dieser Stelle den Wohnbau zu forcieren. Damit ist Ärger vorprogrammiert, auch dann, wenn in den Kaufverträgen für die Grundstücke auf den zu erwartenden Fluglärm hingewiesen wird. Das muss die Stadt dann aushalten. Die Bebauung rückt immer näher an den Flugplatz heran. Die Grenzen der Verträglichkeit sind erreicht und wir haben praktisch keinen Spielraum mehr, unsere Flugrouten zu ändern.