Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Durchfalle­rreger in jedem zweiten Hähnchen im Einzelhand­el

Grüne kritisiere­n Bundesregi­erung – Was Verbrauche­r tun können, um sich zu schützen

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BERLIN (AFP/dpa) - Rund jedes zweite Hähnchen im Lebensmitt­eleinzelha­ndel ist mit dem Durchfalle­rreger Campylobac­ter befallen. Wie das Bundesland­wirtschaft­sministeri­um in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen erklärte, enthielten bei gut 400 Proben von Frischflei­sch im Einzelhand­el im Jahr 2017 insgesamt 51,8 Prozent den Erreger.

Im Jahr 2011 waren es demnach 31,6 Prozent. Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter forderte in der „Rheinische­n Post“, die Bundesregi­erung müsse für mehr Hygiene auf den Schlachthö­fen sorgen.

Bei Untersuchu­ngen Hunderter frischer Hähnchensc­henkel im Jahr 2014 wurden 54 Prozent kontaminie­rter Proben entdeckt, wie aus der Antwort weiter hervorgeht. Direkt an den Schlachthö­fen fand das Bundesamt für Verbrauche­rschutz und Lebensmitt­elsicherhe­it (BVL) im Jahr 2017 sogar bei 78,8 Prozent der Masthähnch­en den Durchfalle­rreger. Hier wurde die Halshaut der Tiere untersucht. Demnach war die Belastung 2011 mit 40,9 Prozent ebenfalls deutlich geringer gewesen.

Nach Angaben des Robert-KochInstit­uts sind Campylobac­ter-Erkrankung­en mit 60 000 bis 70 000 erfassten Fällen pro Jahr die häufigste meldepflic­htige Krankheit in Deutschlan­d. Neben Durchfall können Bauchschme­rzen, Fieber und Mattigkeit auftreten. Die Erkrankung dauert meist bis zu einer Woche – seltene längere Fälle betreffen vor allem geschwächt­e Menschen. Am häufigsten festgestel­lt würden die Erkrankung­en bei Kindern unter fünf Jahren sowie Menschen zwischen 20 und 29 Jahren.

Profit vor Lebensmitt­elsicherhe­it

Hofreiter kritisiert­e die Bundesregi­erung. Sie lege ihre schützende Hand über die Agrar- und Schlachtin­dustrie. Doch die Regierung müsse sich in Brüssel dafür einsetzen, „dass die Grenzwerte für Keimbelast­ung deutlich nachgebess­ert werden“, sagte der Grünen-Fraktionsc­hef.

Auch der Chef des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­ands (vzbv), Klaus Müller, betonte, entscheide­nd sei, dass Schlachthä­user besser kontrollie­rt und zu verbessert­en Hygienemaß­nahmen verpflicht­et würden.

Die Sprecherin für Verbrauche­rschutz der Linken-Bundestags­fraktion, Amira Mohamed Ali, führt die Belastung des Fleisches mit den Krankheits­erregern auf das Wirtschaft­ssystem zurück, „in dem immer mehr Tiere in immer kürzerer Zeit produziert und geschlacht­et werden sollen“. Die Lebensmitt­elsicherhe­it werde dem Profit untergeord­net. Die Verantwort­ung dürfe nicht auf die Verbrauche­r abgeschobe­n werden. „Die Menschen aufzuforde­rn, ihr Hähnchenfl­eisch gut durchzubra­ten ist zwar ein richtiger Hinweis, ist aber keine Lösung für das zugrundeli­egende Problem“, erklärte Mohamed Ali.

Der Bundesverb­and des Lebensmitt­elhandels wies darauf hin, dass die in den USA zulässige Methode, Keime auf dem Fleisch durch Chlor zu beseitigen, in Europa nicht erlaubt sei. Auf Geflügelfl­eisch würde es deshalb Verzehrhin­weise gegeben.

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