Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ein Jahr auf Eis

Forschungs­schiff „Polarstern“friert im kommenden Herbst in der Arktis ein

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BREMERHAVE­N (dpa) - Markus Rex war schon oft in der Arktis – so oft, dass er die genaue Zahl der Reisen nicht benennen kann. Doch die Expedition, die den Klimaforsc­her im September zum Nordpol führen wird, ist einzigarti­g: Zusammen mit einem internatio­nalen Forscherte­am wird er sich an Bord der „Polarstern“des Bremerhave­ner Alfred-Wegener-Instituts (AWI) im Eis einfrieren lassen. Ein Jahr wird das Forschungs­schiff mit dem Eis treiben – ein Mammut-Projekt, das es in dieser Form noch nicht gab. „Ich habe schon viele Expedition­en mitgemacht, aber diese ist unvergleic­hlich“, sagt Rex, der die Fahrt leitet.

Von Februar bis Juni ist die zentrale Arktis eigentlich unzugängli­ch, weil das Eis dann selbst für Eisbrecher zu dick ist. Die „Polarstern“soll vom Eis eingeschlo­ssen ohne eigenen Antrieb über die Polkappe driften – nach dem Vorbild der Reise des Norwegers Fridtjof Nansen mit dem Segelschif­f „Fram“vor rund 125 Jahren. Ziel des 120-Millionen-EuroProjek­ts „Mosaic“ist es, den Klimawande­l genauer zu verstehen. Die Arktis gilt als Frühwarnsy­stem für Klimaverän­derungen, sie hat sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n von allen Erdregione­n am stärksten erwärmt. Im Unterschie­d zur „Fram“wird die „Polarstern“nicht auf sich allein gestellt sein. Sie wird auf den ersten und letzten Abschnitte­n von anderen Eisbrecher­n versorgt. „Wir brauchen frische Lebensmitt­el und Treibstoff­nachschub“, sagt Expedition­sleiter Rex. Die Schiffssch­raube wird zwar die meiste Zeit stehen. Um Ein mit Helium gefüllter Fesselball­on wird unweit des Forschungs­schiffs „Polarstern“von den Wissenscha­ftlern für den Aufstieg vorbereite­t: Im Herbst soll unter deutscher Leitung die größte Forschungs­expedition in die zentrale Arktis starten, die es jemals gegeben hat.

die „Polarstern“mit Wärme und Strom zu versorgen, wird der Motor dennoch an sein.

Zunächst fährt das Schiff von Norwegen aus entlang der sibirische­n Küste und dann polwärts ins Eis hinein. Am Ziel angekommen, hat das Team zwei Wochen Zeit, auf dem Eis ein Camp aufzubauen. An mehreren Stationen sollen Messungen im Meerwasser, im Eis und in der Atmosphäre vorgenomme­n werden. Während der Aufbauphas­e gibt es tagsüber gerade noch vier Stunden Dämmerlich­t. „Das wird richtig hektisch.

Ab der zweiten Oktoberhäl­fte wird es zappendust­er“, sagt Rex.

Wache schützt vor Eisbären

Die Polarnacht ist nur eine von vielen Herausford­erungen, die es im Vorfeld zu bedenken gibt. Seit Monaten laufen beim AWI die Vorbereitu­ngen auf Hochtouren. Auch Notfallplä­ne müssen erstellt werden, zum Beispiel für den Fall, dass das Packeis auseinande­rbricht, während Wissenscha­ftler darauf stehen. „Dann gilt es: Erst die Menschen in Sicherheit bringen, danach das

Equipment“, sagt AWI-Ingenieuri­n Bjela König, die für die Gefährdung­sbeurteilu­ng zuständig ist.

Gefährlich könnten auch Eisbären werden. Damit die Forscher sicher auf dem Eis arbeiten können, werden bewaffnete Wachen eingesetzt. „Wir müssen genau klären, wie viele Teams gleichzeit­ig geschützt werden können“, so König. Erschwert werde die Arbeit der Wachen von der Dunkelheit und vom nicht seltenen, dichten Nebel in der Arktis.

AWI-Eisspezial­ist Marcel Nicolaus ist derweil dabei, die Anordnung der Stationen auf dem Eis zu koordinier­en. „Die Anzahl sprengt jede bisher bekannte Dimension von anderen Expedition­en“, sagt der Physiker. Damit sich die Wissenscha­ftler nicht ins Gehege komme, müsse die Scholle genau aufgeteilt werden.

Pistenraup­en präpariere­n Packeis

Ende 2019 will Rex zusammen mit anderen Wissenscha­ftlern und Crewmitgli­edern mit dem Begleitsch­iff „Admiral Makarow“wieder nach Norwegen fahren, andere Forscher kommen dann neu an Bord. Alle Expedition­steilnehme­r bleiben nur zwei bis drei Monate am Stück. Auf weiteren Fahrtabsch­nitten im Jahr 2020 wird Rex wieder auf der „Polarstern“sein.

In der Zeit dazwischen soll auf dem dann dicken Packeis mit Pistenraup­en eine Flugzeugla­ndebahn präpariert werden. Im April 2020 soll das erste Versorgung­sflugzeug landen können, wenn es für Eisbrecher kein Durchkomme­n mehr durch das Packeis geben wird. Sollte es den Beteiligte­n nicht gelingen, eine stabile Landebahn zu präpariere­n, kommen Langstreck­en-Hubschraub­er zum Einsatz.

Ein Camp samt Landepiste anzulegen ist deshalb möglich, weil das Eis zusammen mit der „Polarstern“Richtung Süden driftet. „Unsere Umgebung reist mit uns mit“, erklärt Expedition­sleiter Rex. Solange, bis im Juni 2020 wieder die Schmelzper­iode beginnt. Dann wird die „Polarstern“zwischen Grönland und Spitzberge­n wieder „ausgespuck­t“– und die Auswertung der vielen gewonnen Daten kann beginnen.

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