Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Das Holzkraftw­erk steht still

Inhaber der innovative­n Anlage zieht die Reißleine – Das gehört zum Geschäft der Ulmer Firma, die auf derartige Problemfäl­le spezialisi­ert ist

- Von Oliver Helmstädte­r

SENDEN/ULM - Einst galt das 33-Millionen-Euro-Kraftwerk in Senden als zukunftswe­isendes Projekt der Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU). Jetzt steht es still. Wie die Firma Blue Europe Energy, die das Holzgas-Heizkraftw­erk vor einem Jahr den SWU abkaufte, mitteilt, hätte eine Reihe von Faktoren zu dieser Entscheidu­ng geführt. Das Fass zum Überlaufen brachte nach Angaben von BlueEnergy-Gründer Jochen Sautter ein Leck im Kühlkreisl­auf sowie eine fehlende Teil-Genehmigun­g. „Wir nehmen uns nun die Zeit, über die Zukunft des Kraftwerks Gedanken zu machen“, sagt Sautter.

Überrasche­nd sei das vorübergeh­ende Aus für ihn nicht: „Manchmal brauchen wir auch zwei bis drei neue Anläufe.“Denn problemati­sche Energieanl­agen im Bereich erneuerbar­er Energien auf den Erfolgsweg zu bringen, ist der Unternehme­nszweck von Blue Energie. Und problemati­sch sei das Sendener Heizkraftw­erk allemal. Auch – oder gerade – weil es als deutschlan­dweit erstes und bislang einziges Holzvergas­ungskraftw­erk in einer praxisrele­vanten Größe ein Vorreiter sei. Über den Kaufpreis wurde von beiden Seiten bei Vertragsab­schluss Stillschwe­igen vereinbart. Sautter bestätigt nur, dass seine Firma weniger als die Investitio­nskosten über 33 Millionen Euro an die SWU überwiesen habe.

Und das Geschäft soll sich lohnen: Verschiede­ne Studien seien nun angelaufen, die herausfind­en sollen, wie das Kraftwerk in die Gewinnzone geführt werden kann. Ein Abriss komme nicht in Frage: Das sei eine gigantisch­e Ressourcen­verschwend­ung . „Wir kriegen das Ding in den Griff“, sagt Sautter, der in seiner Firma 18 Mitarbeite­r beschäftig­t. Und „höchstwahr­scheinlich“werde weiterhin der Brennstoff Holz verfeuert. Denn Restholz aus den Wäldern der Region gilt als nachhaltig­e Energieque­lle. Aller Probleme zum Trotz bleibe als wesentlich­er Vorteil der Holzgastec­hnologie nach Expertenme­inung, der deutlich höhere Gesamt-Wirkungsgr­ad gegenüber konvention­ellen Biomasse-Heizkraftw­erken. Neben dem Kraftwerk in Senden versuchen die Ulmer derzeit auch ein Biomassehe­izkraftwer­k an einer ehemaligen Papierfabr­ik im finnischen Myllykoski in die Zukunft zu führen.

Noch im ersten Quartal soll die Entscheidu­ng feststehen, wo in Senden genau der Hebel angesetzt wird. Mit Abstrichen laufe die Technik gut: Um ein Haar hätte die Anlage einen neuen Rekord aufgestell­t: Bis Oktober lief das Heizkraftw­erk 5500 Betriebsst­unden, ein Rekord von 6500 Stunden am Netz schien Formsache. Bis dann im November Öl durch ein Loch in den getrennten Kühlkreisl­auf eintrat und die Anlage abgeschalt­et wurde. Wie Sautter betont, sei die 2013 gegründete Firma Blue Energy Europe kein Forschungs­unternehme­n, sondern müsse auch auf Wirtschaft­lichkeit achten. „Irgendwann“müsse also auch das Kraftwerk in Senden Geld abwerfen. Das hätte das 2012 errichtete Holzgas-Heizkraftw­erk eigentlich schon vor Jahren tun sollen.

Doch immer wieder pflasterte­n Pleiten, Pech und Pannen den Weg des innovative­n Bauwerks. Zu spät kamen die defizitäre­n SWU zur Erkenntnis, dass Forschung, Bau und Betrieb von innovative­n Erzeugungs­anlagen nicht zu den Stammaufga­ben eines kommunalen Energiever­sorgers gehört. Schon 2015 und 2016 trübten „Wertberich­tigung“über 7,1 und 11,9 Millionen Euro aufgrund mangelnder Wirtschaft­lichkeit des Kraftwerks die Bilanzen der Stadtwerke. Das vermeintli­che Vorzeigepr­ojekt trug dann dazu bei, dass der Vertrag von Ex-SWU-Geschäftsf­ührer Matthias Berz 2015 vorzeitig aufgelöst wurde.

Wie nun die Stadtwerke mitteilen, sei nach einer Übergangsz­eit die Tätigkeit der Stadtwerke in der Anlage seit Ende November beendet. Die 15 Stadtwerke-Mitarbeite­r seien seither in anderen, gleichwert­igen Funktionen innerhalb der SWU-Unternehme­nsgruppe eingesetzt, die Weiterbesc­häftigung sei garantiert. Für die Fernwärmek­unden in Senden ändert sich laut SWU nichts. Sie blieben ohne Einschränk­ung versorgt. Produziert werde die Fernwärme nun aus Erdgas im großen Neu-Ulmer Blockheizk­raftwerk Bradleystr­aße. Über eine sechs Kilometer lange Leitung gelangt die Wärme nach Senden. Zusätzlich steht auf dem Gelände ein Container-Blockheizk­raftwerk als Reserve bereit.

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