Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Der Volksheld leidet und geht
Andy Murray spielt bestenfalls noch bis Wimbledon
MELBOURNE (SID) - Diesen Kampf konnte er nicht gewinnen. Das hatte Andy Murray bereits gewusst, bevor er in Melbourne vor die Presse trat. Der Kloß in seinem Hals war auf Übergröße angeschwollen, die Stimme zitterte bei jedem Wort, und weil alle Gegenwehr vergebens war, ließ Murray die Tränen einfach laufen. „Die Schmerzen sind wirklich zu stark. So will ich nicht weiterspielen“, sagte er traurig. Wenig später weinte die ganze Tenniswelt mit dem Briten.
Zwar verkündete Murray am Freitagmittag noch nicht sein sofortiges Karriereende, herzzerreißend waren seine Worte jedoch allemal. Die Hüftverletzung, die ihn seit fast zwei Jahren peinigt, hat den großen Kämpfer in die Knie gezwungen. Spätestens auf dem legendären Rasen von Wimbledon ist Schluss, „aber ich bin nicht sicher, ob ich das schaffe“, sagte Murray. Schon das Match gegen den Spanier Roberto Bautista Agut am Montag in der ersten Runde der Australian Open könnte sein letztes sein.
„Ich habe alles versucht, damit es meiner Hüfte besser geht. Es hat nicht viel geholfen. Auch wenn ich mich besser fühle als noch vor einem halben Jahr, habe ich noch immer starke Schmerzen“, sagte Murray. Eine zweite Operation könnte Linderung bringen, das Ziel sei aber nicht, danach in den Profisport zurückzukehren, „es geht nur um eine bessere Qualität für das Leben“. Mehr Hoffnung ist Andy Murray nach monatelanger Tortur nicht geblieben. Im Alter von gerade einmal 31 Jahren. Im August 2017 war er noch die Nummer 1 der Welt.
Viele langjährige Weggefährten reagierten bestürzt auf Murrays Tränen. Der Argentinier Juan Martin del Potro, der im Finale der Sommerspiele 2016 in Rio gegen Murray verloren hatte, sprach aus, was viele dachten. „Bitte hör’ nicht auf, es zu versuchen. Kämpfe weiter!“, schrieb del Potro. „Du verdienst es, nach eigenen Vorstellungen zurückzutreten.“
Andrea Petkovic erinnerte an Murrays Verdienste neben dem Platz, an seinen unermüdlichen Einsatz für seine Kolleginnen. „Denn sogar heute, wenn wir glauben, dass alles gleich ist, braucht es Männer, vor allem erfolgreiche Männer, die für die Frauen eintreten“, sagte Petkovic. Murrays klare Haltung gegen Sexismus gepaart mit seinem trockenen Humor und ewiger Hingabe für seinen Sport ließen ihn aus der Masse der Spieler herausstechen. In seiner Heimat mauserte er sich dadurch vom drögen Schotten zum Liebling, natürlich halfen dabei seine Erfolge: 2013 brach er den Wimbledon-Fluch und gewann als erster Brite seit Fred Perry 1936 den Titel dort, drei Jahre später wiederholte er den Triumph. In Erinnerung bleiben werden zudem der Olympiasieg in London 2012, der Triumph bei den US Open im gleichen Jahr sowie der Davis-Cup-Sieg 2015. Aber auch die Niederlagen, die Murray stets erhobenen Hauptes ertrug. Für seine Leistungen auf und neben dem Platz schlug ihn Queen Elizabeth II. zum Ritter.