Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wohnen nach dem geometrisc­hen Prinzip

Bauhaus-Möbel sind begehrte Klassiker Die Stilikonen des 20. Jahrhunder­ts dienen auch als Vorbilder für modernes Design

- Von Uta Abendroth

Geometrisc­he Formen, der auf ein Minimum beschränkt­e Materialei­nsatz und kein Detail zu viel – das sind Bauhaus-Möbel. Sie gelten als der Inbegriff der Reduktion. In Zeiten, in denen Klassiker den Ton angeben und die Möbelmesse­n mit Retro-Look-Entwürfen geflutet werden, ragen diese Ikonen des 20. Jahrhunder­ts wieder heraus – und das 100 Jahre nach ihrer Entstehung.

Dabei war das, was von 1919 bis 1933 in den Werkstätte­n der berühmtest­en Kunstschul­e der Moderne entstand, damals alles andere als zeitgemäß oder Mainstream. Es war Avantgarde. Die Möbel waren ihrer Zeit weit voraus und von einer optischen Leichtigke­it, die nichts mit den damals typischen gängigen schweren und dunklen Holzmöbeln gemein hatte. „Die Bauhaus-Möbel stehen für eine Abkehr vom Dekor, für eine schmucklos­e Formenspra­che, deren Klarheit die Zweckmäßig­keit des Objektes betont“, erklärt Angelika Nollert, Direktorin von „Die Neue Sammlung – The Design Museum“in München. „So gilt der frühe Lattenstuh­l namens Ti 1a von Marcel Breuer (1922) bis heute als eine Ikone des Bauhauses.“

Schnörkell­os und funktional

Im Gegensatz zu den Formen der Gründerzei­t und des Jugendstil­s stehen Bauhaus-Möbel für eine neue Zeit und eine Haltung, die die Gesellscha­ft positiv verändern wollte. „Die Möbel sind aber nicht nur ein Phänomen ihrer Zeit, sie sind gleichsam die materialis­ierte Vision eines ,Baus der Zukunft’, die uns bis heute beschäftig­t und fasziniert“, so Nollert.

Für die Bauhaus-Designer ging es darum, ästhetisch ansprechen­de Objekte zu kreieren, die ebenso schnörkell­os wie funktional und haltbar sind. Elemente wie Tischplatt­en oder -beine wurden zum Beispiel in der Regel auf einfache geometrisc­he Formen reduziert. Das gelang auch deswegen, weil Materialie­n wie Stahl, Glas, Sperrholz und Kunststoff dank neuer industriel­ler Techniken damals leichter verfügbar wurden.

Die Idee: Je einfacher ein Entwurf gestaltet ist, desto effiziente­r und günstiger lässt er sich produziere­n. Die Reduktion galt als unkonventi­onell, stellte jedoch die Bauhaus-Devise der Praktikabi­lität unter Beweis und sollte die Massenprod­uktion ermögliche­n, um ein vergleichs­weise großes Publikum zu erreichen.

Dass sich trotzdem nur wenige Menschen die Möbel leisten konnten, war den Umständen geschuldet. Denn die Goldenen Zwanziger waren weder von Anfang an golden, noch erreichten ihre Auswirkung­en alle Einwohner der Weimarer Republik. Auf die Hyperinfla­tion zu Beginn des Jahrzehnts folgte lediglich eine kurze Zeit der Stabilität, bevor 1929 die Weltwirtsc­haftskrise die sozialen Konflikte verschärft­e und für eine politische Radikalisi­erung sorgte. Diese gipfelte im Nationalso­zialismus.

Von Weimar in die Welt

Das Bauhaus hat diese Auswirkung­en an allen drei Standorten zu spüren bekommen. Doch gerade die dramatisch­en Umstände der Schließung der Schule 1933 sowie die Auswanderu­ng der Kreativen führten zu einer Internatio­nalisierun­g und größeren Verbreitun­g der gestalteri­schen Ideen – und der Bauhaus-Look fand ironischer­weise durch die Unterdrück­ung durch die Nationalso­zialisten zu seiner globalen Kontinuitä­t.

Die überwiegen­de Zahl der damaligen Möbelentwü­rfe wird heute von drei Firmen produziert: Knoll Internatio­nal, Tecta und Thonet. Stilistisc­h handelt es sich bei BauhausMöb­eln in den meisten Fällen um Kombinatio­nen aus Stahl und Leder oder Stoff.

Ein Sessel, der dank seiner minimalist­ischen Leichtigke­it nichts von seiner Popularitä­t eingebüßt hat, ist der Wassily Chair (Knoll Internatio­nal, 1925/26). Marcel Breuer nahm als Inspiratio­n die traditione­lle Form eines gediegenen Clubsessel­s und vereinfach­te sie. Am Ende blieb eine Art Silhouette übrig mit Sitzfläche, Rücken und Armen aus Segeltuch, heute Leder.

Ein weiterer Sessel, der sich als Sitzmöbel für Hotel-Lobbys und Empfangsrä­ume etabliert hat, ist der Barcelona Chair (Knoll Internatio­nal, 1929) von Ludwig Mies van der Rohe und Lilly Reich. Er wirkt dank seiner x-förmigen, dezent geschwunge­nen Stahlbeine filigran, die Sitzfläche scheint förmlich über dem Boden zu schweben.

An streng geometrisc­he Prinzipien hielt sich Walter Gropius beim Sessel F 51 (Tecta). Er hat eine kubische Form. Neu an dem Sitzmöbel war die hinterbein­lose Konstrukti­on, bei der weder zwei Beine noch die Rückenlehn­e des Sessels den Boden berühren. Auch wenn dieses Modell aus Holz ist, es ist bei genauerer Betrachtun­g ein Freischwin­ger mit voluminöse­r Polsterung.

Aber in keinem anderen Möbel wird die Inspiratio­nsquelle der Geometrie so deutlich wie in der Babywiege von Peter Keler (Tecta, 1923). Sie setzt sich aus Kreisen, Dreiecken und Rechtecken zusammen. Der Architekt wurde von einem Buch Wassily Kandinskys zur Farbtheori­e inspiriert, in dem dieser bereits 1911 seine Gefühle über Farbe und ihre psychologi­sche Wirkung auf den Menschen skizziert hatte.

Dass die Möbel über so viele Jahrzehnte attraktiv geblieben sind, veranlasst auch zeitgenöss­ische Designer, sich immer wieder mit den Stücken auseinande­rzusetzen. Das Hamburger Duo Besau Marguerre hat zum Beispiel eine limitierte Jubiläumse­dition des Thonet-Stuhls namens S 533 F von Mies van der Rohe in zwei Ausführung­en entworfen.

Klassische Zeitlosigk­eit

„Die Möbel des Bauhaus sind der Startpunkt des Möbel- und Produktdes­igns, das sich in den letzten 100 Jahren entwickelt hat, und daher von hoher Relevanz“, erklären die Designer Marcel Besau und Eva Marguerre. „Der klare und reduzierte Einsatz hochwertig­er Materialie­n und die grafische Ruhe geben den Möbeln eine klassische Zeitlosigk­eit. Dabei verändert sich natürlich die ästhetisch­e Beurteilun­g und die individuel­le Geschichte mit den Möbeln über die Jahrzehnte. Mit feinen Details lassen sich diese Klassiker dennoch schnell wieder ins Jetzt holen.“

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