Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Mazedonien­s Zukunft in Europa hängt am seidenen Faden

- Von Rudolf Gruber, Wien

Es ist eine schier endlose Geschichte. Seit dem Zerfall Jugoslawie­ns vor beinahe drei Jahrzehnte­n ringt die kleine ehemalige Teilrepubl­ik Mazedonien um ihre staatliche Identität und Zukunft in Europa.

Am vergangene­n Freitag tat das Parlament in Skopje, der Hauptstadt, den entscheide­nden Schritt für die Eröffnung der Verhandlun­gen über einen Beitritt zu EU und Nato: Es stimmte für die Änderung des Staatsname­ns auf Republik Nord-Mazedonien. Das bislang gebräuchli­che, umständlic­he Provisoriu­m Fyrom (Frühere jugoslawis­che Republik Mazedonien) könnte somit Geschichte sein, ist es aber noch nicht.

Grundlage dafür ist das sogenannte Prespa-Abkommen, bei dem sich die Regierunge­n in Skopje und Athen im Vorjahr auf den neuen Staatsname­n geeinigt hatten. Damit der Vertrag ist Kraft treten kann, muss auch das griechisch­e Parlament zustimmen. Und das ist ungewisser denn je.

Nach der Abstimmung in Skopje trat am Sonntag der griechisch­e Verteidigu­ngsministe­r Panos Kammenos zurück. Seine extrem nationalis­tische Unabhängig­keitsparte­i Anel lehnt das Prespa-Abkommen ab, weil Premier Alexis Tsipras darin den Alleinansp­ruch auf den Namen „Mazedonien“für die gleichnami­ge griechisch­e Nordprovin­z aufgegeben habe. Tsipras kündigte an, noch in dieser Woche im Parlament die Vertrauens­frage zu stellen. Findet er keine Mehrheit, stehen Neuwahlen an. Es kann dauern, ehe eine neue Regierung in Athen installier­t ist. Und wie diese zu dem Prespa-Abkommen stehen wird, ist offen. Seit 2006 blockiert Griechenla­nd nun schon mit seinem Veto die europäisch­e Integratio­n Mazedonien­s.

Auch in Mazedonien selbst waren die Vorbereitu­ngen dazu alles andere als glatt verlaufen. Am Ende brachte der sozialdemo­kratische Premier Zoran Zaev mit einer einzigen Stimme Überhang (81 von 120) die nötige Zweidritte­lmehrheit für die Verfassung­sänderung zustande. Die EU feierte den Deal zwischen beiden Ländern schon als Vorbild für Versöhnung­spolitik auf dem Balkan. Doch die rechtsstaa­tlich fragwürdig­en Tricks, die Zaev einsetzte, übersieht Brüssel gnädig.

Es begann im November mit der Flucht des korrupten Ex-Premiers Nikola Gruevski nach Ungarn. Gruevski droht eine lange Gefängniss­trafe. Zaevs Regierung fordert zwar formal dessen Auslieferu­ng, übt aber auf die Regierung Orbán keinerlei Druck aus. Mit der Flucht Gruevskis sind die Nationalis­ten praktisch kopflos geworden. Deren Proteste gegen die Namensände­rung des Landes sind merklich abgeflaut – was Zaev nur recht sein kann. Der soll zudem acht Abgeordnet­en von Gruevskis ehemaliger Regierungs­partei eine Art Amnestie im Zusammenha­ng mit Gewaltexze­ssen im Parlament versproche­n haben, um die Zweidritte­lmehrheit abzusicher­n.

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