Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Gäubahn wird drei Jahre unterbrochen
Strecke Singen–Stuttgart von S21-Bauarbeiten betroffen– Ärger über Stadt Stuttgart
STUTTGART (tja) - Im Konflikt um die jahrelange Unterbrechung der Gäubahn-Strecke üben Fahrgastvertreter scharfe Kritik an der Stadt Stuttgart. Die grün regierte Metropole habe nur eigene Interessen im Blick, statt ihrer Verantwortung als Landeshauptstadt gerecht zu werden.
Reisende müssen auf der Strecke von Zürich über Singen nach Stuttgart mit erheblichen Behinderungen rechnen. Wohl ab 2025 wird die Trasse drei Jahre lang vom Fernverkehr abgehängt. Davon geht BadenWürttembergs Verkehrsministerium aus. Grund sind die Arbeiten für den neuen Stuttgarter Bahnhof S21. Die Gäubahn soll in Vaihingen enden, Passagiere müssten umsteigen.
„Das ist fahrlässig, denn es gibt bessere Lösungen“, sagte Matthias Lieb, Vorsitzender des Fahrgastbeirats. Er fordert, die Gäubahn über eine etwa drei Millionen Euro teure Interimsbrücke zum Bahnhof in Stuttgart zu führen. Das lehnt die Stadt ab. Die Trasse würde über jenes Areal führen, auf dem sie ein neues Viertel errichten will. Die Pläne würden durch eine Übergangstrasse der Gäubahn gefährdet. „Stuttgart ist nur auf Eigeninteressen fixiert, das ist beschämend für eine Landeshauptstadt“, sagte Lieb am Montag. Der grüne Verkehrspolitiker Matthias Gastel warf seinen Parteifreunden in Stuttgart vor, aus Eigennutz den Süden des Landes vom Fernverkehr abzuhängen.
STUTTGART - Auf der Gäubahn wird es beschwerlich für Fernreisende und Pendler. Die Züge aus Richtung Singen fahren ab 2025 mindestens drei Jahre nicht mehr direkt zum Stuttgarter Hauptbahnhof. Grund ist der Neubau des Bahnhofs im Rahmen des Großprojekt S 21. Nun gibt es eine Möglichkeit, diese Zeit zu verkürzen – doch die Stadt Stuttgart lehnt sie ab. Gäubahn-Anrainer und Fahrgastvertreter sind sauer.
Der Gäubahn von Zürich über Singen nach Stuttgart droht Ungemach. Und zwar ein halbes Jahr, bevor der neue Tiefbahnhof in der Landeshauptstadt fertig ist. Nach aktuellem Stand wäre das 2025. Die Gäubahn-Trasse stört dann den Bau neuer Gleise im Stuttgarter Talkessel. Deswegen sollen die Regionalund Fernzüge aus Richtung Singen dann in Stuttgart-Vaihingen enden. Dort müssten Reisende in die S-Bahn oder die Stadtbahn umsteigen, um zum Hautbahnhof zu gelangen. Fernreisende verpassen Anschlüsse Richtung Mannheim oder Frankfurt und verlieren rund eine Stunde. Pendler, die Ziele innerhalb Stuttgarts ansteuern, könnten profitieren: Sie können dann früher als heute in die Stadtbahn umsteigen.
„Schwer erträgliche Vorstellung“
Wie lange dieser Zustand dauert, kann die Bahn nicht sagen. Das Landesverkehrsministerium rechnet mit mindestens drei Jahren. Erst, wenn der neue Flughafenbahnhof fertig ist, können die Gäubahn-Züge wieder direkt zum Hauptbahnhof rollen. Über den Gleisknoten Airport führen die Gleise dann in den Talkessel. Der neue Hauptbahnhof soll 2025 fertig werden, der Flughafenbahnhof später. Experten gehen von 2028 aus. Damit fehlt der Gäubahn zwischen 2025 und 2028 die Anbindung an den Hauptbahnhof.
„Die Vorstellung, dass wir die Landeshauptstadt über mehr als drei Jahre nicht direkt per Zug erreichen können, ist für mich nur schwer erträglich“, sagte Tuttlingens Oberbürgermeister Michael Beck. Der Fahrgastbeirat des Landes sowie der grüne Bundespolitiker Matthias Gastel schlagen eine Lösung vor. Die Bahn solle die neuen Gäubahn-Gleise über eine Brücke führen, welche die anderen Bahnstrecken überquert. So könnte die Gäubahn wie gewohnt zum Hauptbahnhof führen. Dann wäre die Strecke aus Singen nur ein halbes Jahr lang unterbrochen. „Das würde rund drei Millionen Euro kosten, bei einem Projekt von rund zehn Milliarden Euro muss das drin sein“, sagt Matthias Lieb vom Fahrgastbeirat.
Doch die Stadt Stuttgart weigert sich. Sie fürchtet um ihre großen Bauvorhaben. Da, wo derzeit Gleise verlaufen und der alte Hauptbahnhof steht, soll ein neues Stadtviertel wachsen. „Wir halten an den bestehenden Planungen fest. Die Gäubahn soll künftig den Flughafen anfahren. Andernfalls schränkt dies die Entwicklung des neuen Stadtviertels erheblich ein“, teilte Baubürgermeister Peter Pätzld (Grüne) mit.
Für Fahrgastvertreter Lieb ist das nicht nachvollziehbar. „Die Stadt ist nur auf Eigeninteressen fixiert, das ist beschämend für eine Landeshauptstadt.“So sieht das auch der grüne Abgeordnete Gastel. Es könne nicht sein, dass wegen „einiger Gebäude in Stuttgart“Teile des Landes vom Fernverkehr abgehängt würden: „Ich erwarte von der Stadt Stuttgart, dass sie sich da flexibel zeigt.“Die Bahn verweist auf geltende Verträge und genehmigte Baupläne. Daran sei man gebunden, so ein Sprecher.
Der Tuttlinger Landrat Stefan Bär (Freie Wähler) sagte dazu: „Ich würde mich für eine provisorische Lösung in Stuttgart aussprechen. Die jetzigen Planungen sind für uns im Grunde nicht akzeptabel. Wir dürfen nicht über einen solch langen Zeitraum vom Hauptbahnhof abgehängt werden. Das wäre ein erheblicher Rückschritt für alle Bahnreisenden aus unserer Region.“
Flughafen-Anbindung offen
Ein weiteres Problem: Noch ist offen, wie Gäubahn-Passagiere von der Endstation Vaihingen zum Flughafen und zur Messe gelangen. Eigentlich können sie die S-Bahn nutzen. Doch der S-Bahn-Halt Flughafen wird ein Jahr lang nicht angefahren. Die Bahn benötigt die Zeit, um den neuen Bahnhof inklusive Tunnels und Gleisen zu bauen.
Dazu hat der Interessenverband Gäubahn klare Forderungen an die Bahn. Unterstützung kommt vom Land sowie von Messebetreibern und Flughafen. Sie wollen einen provisorischen Bahnhof kurz vor dem Flughafen. Von dort aus würden Shuttle-Busse fahren, außerdem könnten Passagiere zu Fuß zum Airport und zur Messe gelangen. Am Montag sagte Guido Wolf (CDU), Chef des Verbandes und Tuttlinger Landtagsabgeordneter: „Für alle Gäubahn-Anlieger war die Anbindung an Flughafen und Messe wichtiges Argument in der Diskussion um Stuttgart 21. Wir sind daher klar für den Interimsbahnhof fußläufig zum Terminal.“Die Bahn hatte als weitere Alternative vorgeschlagen, den Flughafen mit der Stadtbahn ans übrige Bahnnetz anzubinden. Das lehnen die Gäubahn-Vertreter ab.